Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Nicht verstanden - Nicht gesund geworden: Wenn das ärztliche Gespräch mehr verwirrt als klärt

Moderation: Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz
Sendungsvorbereitung: Mag.a Felice Drott
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Nicht verstanden - nicht gesund geworden: Wenn das ärztliche Gespräch mehr verwirrt als klärt

Ein Sprichwort sagt: "Keine Medizin kann wirken, wenn sie nicht eingenommen wird." Erkrankte Menschen müssen mithelfen, um gesund zu werden. Eine verständliche Patienteninformation ist dafür Grundvoraussetzung.
Der Besuch in der ärztlichen Ordination oder im Krankenhaus ist für die meisten Menschen eine Ausnahmesituation. Sie sind nervös, manche befürchten eine schlimme Krankheit zu haben. Die Ordinationen sind gut gefüllt. Viele Personen warten täglich auf ärztlichen Rat und Hilfe. Arbeitsaufwand und Hektik im niedergelassenen Bereich und in Krankenhäusern reduzieren die Zeit für Aufklärungsgespräche auf ein Mindestmaß. Zeit ist ein knappes Gut. Ein Arzt-Patientengespräch dauert oft nicht länger als drei oder vier Minuten.
Bei einer Visite im Krankenhaus wird meist noch weniger (mit den Erkrankten) gesprochen.

Übrigens, im österreichischen Gesundheitssystem ist die Entlohnung des unschätzbar wichtigen, weil im Kern heilenden, Gesprächs zwischen Arzt und erkrankter Person eigentlich nur in Ausnahmefällen vorgesehen. Bei etwa 20 Euro - pro Quartal versteht sich - für das Stecken der e-card ist die "Routine-Kommunikation" im Preis schon inbegriffen.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Die meisten Menschen verstehen nur einen Bruchteil von dem, was die Ärztin oder der Arzt ihnen im Gespräch erklärt. Der Kardiologe Univ.-Prof. Dr. Manfred Zehetgruber hat in seinen Analysen festgestellt, dass Personen mit Herz-Kreislauferkrankungen nur rund 60 Prozent von dem nachvollziehen, was in der Visite erklärt wird. Bei Menschen mit Migrationshintergrund und mit nicht perfekten Deutschkenntnissen sind es sogar nur 30 bis 40 Prozent.
Dies hat fatale Auswirkungen. Der österreichische Herz-Kreislaufpatient nimmt mehr als ein Drittel aller verordneten Medikamente nicht ein. Lebensstiländerungen werden kaum umgesetzt.
Dabei könnten Maßnahmen, die das "Mitmachen" - also die Compliance - von Personen mit Herz-Kreislaufbeschwerden fördern, das Risiko einer Wiedererkrankung sowie die Sterblichkeit um 30 bis 50 Prozent senken. Außerdem sind an sich vermeidbare, kardiologische Wiederholungsbehandlungen teuer.
Auf das Gesundheitssystem umgelegt werden etwa zehn Prozent der gesamten Kosten durch Non-Compliance verursacht. Eine verständlichere und gut strukturierte Vermittlung von gesundheitsrelevanten Informationen könnte viel menschliches Leid vermeiden und der Verschwendung von Ressourcen entgegenwirken.
Präventive Maßnahmen sind leicht umzusetzen und könnten viel Geld sparen. Ein neues Projekt am Wiener AKH setzt auf multimediale Informationsvermittlung. Ein in mehreren Sprachen produziertes Aufklärungsvideo soll Herz-Kreislauf-Erkrankte über den Spitalsaufenthalt, die Krankheit, die Behandlung und die Eigenverantwortung aufklären. Das Konzept klingt vielversprechend. Dennoch gibt es für die Entwicklung und Umsetzung solcher Initiativen kaum finanzielle Unterstützung.

Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz diskutiert diesmal mit seinen Gästen über Möglichkeiten und Grenzen der Patientenaufklärung sowie über die gängigen Kommunikationsprobleme zwischen ÄrztInnen und PatientInnen.

Service

Prim. Univ.-Prof. Dr. Klaus Klaushofer
Ärztlicher Direktor und Abteilungsvorstand der 1. Med. Abt. im Hanusch-Krankenhaus, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Osteologie sowie beratender Arzt im Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger
Hanusch-Krankenhaus
Wiener Gebietskrankenkasse
Heinrich-Collin-Straße 30
A-1140 Wien
Tel.: +43/1/910 21/84010
E-Mail
Ludwig Boltzmann Institut für Osteologie

A.o. Univ.-Prof. Dr. Manfred Zehetgruber
Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Intensivmedizin
Oberarzt an der Abteilung für Kardiologie an der Uniklinik für Innere Medizin II am Wiener AKH, Initiator mehrerer Präventionsprogramme zur verbesserten Aufklärung von Herz-Kreislauf-PatientInnen
Herz-Lungen-Zentrum Ebreichsdorf
Hauptplatz 22
A-2483 Ebreichsdorf
Tel.: +43/650/76 09 123
Herz-Lungen-Zentrum

Ordination Wien:

Ordinationszentrum der Confraternität Privatklinik Josefstadt

Mag. Dr. Herbert Habersack
Filmemacher, Privat-Dozent für Film- und Fernsehproduktion und selbst Mediziner
E-Mail

Unterbrechen statt Zuhören - Die häufigsten Fehler der Ärzte (Video)

Arzt-Patienten-Kommunikation als Chance! ("Ärzte Woche" 14/2011)
Kommunikationstraining für Medizinstudenten ("Spiegel", 17.Feburar 2011)
Was verdient der Arzt am Gespräch? (Video)
MediKIT - Medizinisches Kommunikations- und Interaktions-Training
Herz macht Schule
Herzlungenzentrum - Patientenratgeber
Medizinische Universität Wien - Kommunikation in der Lehre

Hella Dahmer, Jürgen Dahmer, "Gesprächsführung - Eine praktische Anleitung", Verlag: Thieme, 5. Auflage 2003

Jutta Begenau, Cornelius Schubert, Werner Vogd, "Die Arzt-Patient-Beziehung", Verlag: Kohlhammer 2010

Manfred Zehetgruber, Thomas Wallner, "Herzensbildung - Ein medizinischer Ratgeber zu Herz-Kreislauferkrankungen", Verlag: Facultas 2005

Sendereihe