Radiokolleg - Der Künstler als Seelendoktor
Arthur Schnitzler, Chronist seiner Zeit
(1). Gestaltung: Sabrina Adlbrecht
20. August 2012, 09:30
Der österreichische Erzähler und Dramatiker Arthur Schnitzler (1862 - 1931) gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der so genannten "Wiener Moderne", der Zeit des Übergangs zwischen 19. und 20. Jahrhundert. Politische Wirren und gesellschaftliche Umbrüche kennzeichnen diese Zeit, die letztlich in den Ersten Weltkrieg mit dem Zerfall der Habsburgermonarchie mündete. Schnitzlers literarische Figuren sind epochentypische Gestalten der Wiener Gesellschaft: Offiziere, Ärzte, Fabrikanten, Künstler, Dandys, großbürgerliche Damen und "süße Mädel" aus der Vorstadt.
Das Interesse des praktizierenden Arztes, der Schnitzler viele Jahre lang neben seiner künstlerischen Arbeit blieb, galt den seelischen Befindlichkeiten dieser Figuren, ihrer Diagnosen und Konsequenzen. Die offenkundigen Lebenslügen sind auch Spiegel einer von Normen, sexuellen Tabus und fundamentaler Unsicherheit geprägten Gesellschaft. Als "Chronist seiner Zeit" führte Arthur Schnitzler über viele Jahrzehnte akribisch Tagebuch - wie kaum ein anderer Schriftsteller: Seine Notizen über Träume, für ihn Quellen literarischer Inspiration, lassen interessante Bezüge zu seinem Zeitgenossen Sigmund Freud und dessen "Traumdeutung" erkennen - mit der sich der Dichter auch intensiv beschäftigte, der Psychoanalyse insgesamt aber äußerst kritisch gegenüberstand.
Schnitzler steht nach wie vor auf den Spielplänen der Theater, obwohl man einen überzeitlichen Gehalt seiner Werke in der Vergangenheit immer wieder in Frage zu stellen versuchte. Offenbar zu Unrecht.
Service
Arthur Schnitzler: Liebelei. Reclam Verlag, Stuttgart, 2001
Arthur Schnitzler: Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten. Hrsg. von Reinhard Urbach. Reclams Universal-Bibliothek 18161, Stuttgart 2002
Arthur Schnitzler: Fräulein Else, Novelle. Hrsg. von Johannes Pankau. Reclams Universal-Bibliothek 18155, Stuttgart 2003
Arthur Schnitzler: Professor Bernhardi. Hrsg. von Reinhard Urbach. Verlag Reclam, Stuttgart 2005
Arthur Schnitzler: Lieutenant Gustl. Historisch-kritische Ausgabe. Hrsg. von Konstanze Fliedl. De Gruyter Verlag, Berlin 2011
Arthur Schnitzler: Anatol. Historisch-kritische Ausgabe. Hrsg. Von Evelyne Polt-Heinzl und Isabella Schwentner. 2 Bde., De Gruyter Verlag, Berlin 2012
Arthur Schnitzler: Jugend in Wien. Eine Autobiographie. Verlag Fritz Molden, 3. Auflage, 1981
Arthur Schnitzler: Briefe, 2 Bde., Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main, 1981/1984. (Bd. 1, 1875-1912, hg. Von Therese Nickl und Heinrich Schnitzler, 1981; Bd.2, 1913-1931, hg. Von Peter Michael Braunwarth, Richard Miklin, Susanne Peterlik und Heinrich Schnitzler, 1984)
Arthur Schnitzler: Tagebuch, 1879-1931, 10 Bde., Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien, erschienen zwischen 1987 und 2000
Arthur Schnitzler: Träume. Das Traumtagebuch 1875-1931. Hrsg. von Peter M. Braunwarth und Leo A. Lensing. Wallstein Verlag, Göttingen, 2012
Olga Schnitzler: "Spiegelbild der Freundschaft", Residenz-Verlag, Salzburg, 1962
Renate Wagner: Arthur Schnitzler. Eine Biographie. Verlag Fritz Molden, Wien, 1981
Hartmut Scheible: Arthur Schnitzler. Rowohlts Monographien, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1976; 14. Auflage, 2007
Konstanze Fliedl: Arthur Schnitzler. Reclam Verlag, Stuttgart, 2005
Joachim Heimerl: Arthur Schnitzler. Zeitgenossenschaft der Zwischenzeit. Peter Lang Verlag, Zürich, 2012
A. ist manchmal wie ein kleines Kind. Clara Katharina Pollaczek und Arthur Schnitzler gehen ins Kino. Hrsg. von Stephan Kurz und Michael Rohrwasser. Böhlau Verlag, Wien, 2012