Gedanken für den Tag

Von Johann Holzner. "Manchmal stand ein Stern am Himmel meines Traums" - Zum 25. Todestag von Rose Ausländer. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

In den Erinnerungsgedichten von Rose Ausländer ist immer wieder von der Bukowina die Rede, von jener Landschaft, die der Fluss Pruth durchzieht. Aber: Diese Gedichte vermitteln keineswegs nur verklärende Bilder der Heimat, des nicht mehr erreichbaren Landes der Kindheit, sondern auch Gegenbilder, Bilder der Obdachlosigkeit. Der Traum vom Glück? Das lyrische Ich der Rose Ausländer sträubt sich dagegen, den Kindheitstraum aufzugeben; blind ist diese Poesie jedoch nicht.

Glück II

Der Traum vom Glück
wehrt sich gegen mich
seit ich ihn träumen will

Ich habe viel geträumt
von dunklen Dingen

Manchmal stand ein Stern
am Himmel meines Traums
nur einen Augenblick
dann stürzte er
und fiel
weiß auf mein Haar

Rose Ausländer hätte allen Grund gehabt, den Traum vom Glück zu verscheuchen. Aufgewachsen in einem jüdischen, liberalen Elternhaus, musste sie zum ersten Mal schon mit 15 Jahren (mitten im Ersten Weltkrieg) aus Czernowitz flüchten. Eine Zeitlang lebte sie in Wien; in den zwanziger Jahren zumeist in den Vereinigten Staaten. 1931 kehrte sie nach Czernowitz zurück. 1939 konnte sie, entdeckt und unterstützt von Alfred Margul-Sperber, ihren ersten Gedichtband veröffentlichen. Der Hitler-Stalin-Pakt, im selben Jahr vereinbart, zog jedoch einen Strich durch die Rechnung der Karriere: 1940 besetzten sowjetische, 1941 mit dem NS-Regime verbündete rumänische Truppen die Stadt, Rose Ausländer durfte Czernowitz nicht mehr verlassen; "Getto, Elend, Horror, Todestransporte" prägten das Leben. "Wir zum Tode verurteilten Juden", schrieb Rose Ausländer später, "waren unsagbar trostbedürftig. Und während wir den Tod erwarteten, wohnten manche von uns in Traumworten - unser traumatisches Heim in der Heimatlosigkeit. Schreiben war Leben. Überleben." Rose Ausländer hat den Stern am Himmel ihres Traums als Gelben Stern - und auch als Morgenstern interpretiert: hartnäckig Widerstand leistend gegen alle Verfolger.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Johannes Brahms/1833 - 1897
Titel: Quintett für Klavier und Streicher in f-moll op.34
* Andante, un poco adagio - 2.Satz (00:09:25)
Ausführende: Quintetto Faure di Roma
Ausführende: Maureen Jones /Klavier
Ausführende: Pina Carmirelli /Violine
Ausführende: Federico Agostini /Violine
Ausführende: Massimo Paris /Viola
Ausführende: Francesco Strano /Violoncello
Länge: 02:00 min
Label: Claves 508702

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