Gedanken für den Tag

Von Johann Holzner. "Manchmal stand ein Stern am Himmel meines Traums" - Zum 25. Todestag von Rose Ausländer. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Der Anfang der Zeit, der Geschichte, d.h. das Ende der Kindheit, fällt in den Gedichten von Rose Ausländer zusammen mit der Erfahrung des Todes - mit einer traumatischen Erfahrung: weil der Tod nicht als natürliches, sondern als unvorstellbar gewaltsames Phänomen auftritt.

Angesichts der Erfahrung der Übermacht, mit der die Wirklichkeit die Träume der Kindheit einholt und zerschlägt, wären Rückzug und Resignation verständliche Haltungen. Umso bemerkenswerter daher, dass das lyrische Ich in den Gedichten der Rose Ausländer sich nicht verschließt, vielmehr noch immer im Flug eine Chance sieht, sich zu behaupten, und dass es in der Rolle des Ikarus sich sogar der Aufgabe stellt, den "Himmel" zu "halten".

Die Aufgabe dieses verwandelten Ikarus ist im Verständnis von Rose Ausländer zugleich die Aufgabe der Poesie: in einer scheinbar aussichtslosen Position die geltenden und allgemein als gültig anerkannten Grenzen zu überwinden. Dazu gehört nicht zuletzt das Unterfangen, die gewohnten Nistplätze der Sprache aufzugeben. "Im Flug / das Weite suchen // wo alle Wörter / verlorengehn // Worte finden / die dich lieben." Aber auf der Suche nach einer neuen Sprache und nach einer neuen Welt hat sich Rose Ausländer nie der Verpflichtung entzogen, zurückzublicken und die hässliche Welt frontal zu attackieren.

BIOGRAPHISCHE NOTIZ

Ich rede
von der brennenden Nacht
die gelöscht hat
der Pruth
von Trauerweiden
Blutbuchen
verstummtem Nachtigallsang
vom gelben Stern
auf dem wir
stündlich starben
in der Galgenzeit
nicht über Rosen
red ich
Fliegend
auf einer Luftschaukel
Europa Amerika Europa
ich wohne nicht
ich lebe

In den Gründungsmanifesten der internationalen Avantgarde ist die Neubelebung des Ikarus-Mythos oftmals gekoppelt mit der Forderung nach einem radikalen Traditionsbruch, nach der Zertrümmerung der europäischen Erinnerungskultur; mit einem Programm also, das sich später problemlos auch mit der Rechtfertigung von Säuberungsprozessen verbinden ließ. Die Gedichte von Rose Ausländer sprechen eine andere Sprache.
Der Anfang der Zeit, der Geschichte, d.h. das Ende der Kindheit, fällt in den Gedichten von Rose Ausländer zusammen mit der Erfahrung des Todes - mit einer traumatischen Erfahrung: weil der Tod nicht als natürliches, sondern als unvorstellbar gewaltsames Phänomen auftritt.

Angesichts der Erfahrung der Übermacht, mit der die Wirklichkeit die Träume der Kindheit einholt und zerschlägt, wären Rückzug und Resignation verständliche Haltungen. Umso bemerkenswerter daher, dass das lyrische Ich in den Gedichten der Rose Ausländer sich nicht verschließt, vielmehr noch immer im Flug eine Chance sieht, sich zu behaupten, und dass es in der Rolle des Ikarus sich sogar der Aufgabe stellt, den "Himmel" zu "halten".

Die Aufgabe dieses verwandelten Ikarus ist im Verständnis von Rose Ausländer zugleich die Aufgabe der Poesie: in einer scheinbar aussichtslosen Position die geltenden und allgemein als gültig anerkannten Grenzen zu überwinden. Dazu gehört nicht zuletzt das Unterfangen, die gewohnten Nistplätze der Sprache aufzugeben. "Im Flug / das Weite suchen // wo alle Wörter / verlorengehn // Worte finden / die dich lieben." Aber auf der Suche nach einer neuen Sprache und nach einer neuen Welt hat sich Rose Ausländer nie der Verpflichtung entzogen, zurückzublicken und die hässliche Welt frontal zu attackieren.

BIOGRAPHISCHE NOTIZ

Ich rede
von der brennenden Nacht
die gelöscht hat
der Pruth
von Trauerweiden
Blutbuchen
verstummtem Nachtigallsang
vom gelben Stern
auf dem wir
stündlich starben
in der Galgenzeit
nicht über Rosen
red ich
Fliegend
auf einer Luftschaukel
Europa Amerika Europa
ich wohne nicht
ich lebe

In den Gründungsmanifesten der internationalen Avantgarde ist die Neubelebung des Ikarus-Mythos oftmals gekoppelt mit der Forderung nach einem radikalen Traditionsbruch, nach der Zertrümmerung der europäischen Erinnerungskultur; mit einem Programm also, das sich später problemlos auch mit der Rechtfertigung von Säuberungsprozessen verbinden ließ. Die Gedichte von Rose Ausländer sprechen eine andere Sprache.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Gabriel Faure/1845 - 1924
Album: Musik für Flöte und Harfe
Titel: Fantaisie für Flöte und Harfe op.79
* Andantino, Allegro
Fantasie
Solist/Solistin: Peter Lukas Graf /Flöte
Solist/Solistin: Ursula Holliger /Harfe
Länge: 02:00 min
Label: Claves 50708

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