Gedanken für den Tag

23. Jänner 2013, 06:56

Spitzweg

Ein glatzköpfiger älterer Herr mit Brille und roter Kartoffelnase steht in seiner Amtsstube. Ein bodenlanger grüner Mantel verstärkt den Eindruck des Förmlichen und Spröden. Am Boden stapeln sich Bücher und Akten. Links im Bild ein großes, oben geöffnetes Fenster, durch das Licht in das Büro fällt.

Am Fensterbrett eine Menge an Kakteen, denen offenbar die ganze Zuneigung des schreibenden Sonderlings gilt. Ein Kaktus ? und zwar der größte ? zieht die Aufmerksamkeit des Büroangestellten und somit auch der Bildbetrachter auf sich. Er trägt offenbar überraschend für den Schreiberling eine rote Blüte. Was ich bisher nicht erwähnt habe ist, dass der leicht gebogene grüne Kaktus und der sich vorneigende Herr mit seiner Glatze einander unzweifelhaft ähnlich sehen.

Durch die Parallele zwischen dem stacheligen Gewächs und dem weltfremden Stubenhocker ergibt sich ein komisches Moment. Genauso komisch erscheint die übertriebene Liebe, die der Mann den Pflanzen zukommen lässt. Wohl als Kompensation zu fehlenden zwischenmenschlichen Beziehungen, mutmaßt man sofort.

Carl Spitzweg, der diese Ölgemälde um 1850 malte, ist neben Wilhelm Busch der große humoristische deutsche Maler des 19. Jahrhunderts. Was ich an Spitzwegs Humor so mag, ist seine Subtilität. Fast immer bringt einen Spitzweg mit seinen Bildern zum Schmunzeln. Zugleich schwingt in seinem Humor bei all der Unzulänglichkeit, mit der er seine zwanghaften Figuren darstellt, eine liebevolle Zärtlichkeit mit. Er macht sich nicht über seine Charaktere lustig. Vielmehr lacht er mit ihnen. Und er stellt Schwächen als zutiefst menschliche Eigenschaft dar. Mittels der feinen Komik zeigt er den Betrachtern seiner Bilder Wege auf, auch lächelnd und versöhnlich an die eigenen Schwächen heranzugehen. Spitzweg selbst hat in einem seiner Gedichte Humor als rettenden Baum vor dem Absturz in einen Abgrund beschrieben. So dichtete er:

"Humor, so heißt die Latsche schlicht
Gleich Göttern hochgeboren -
Erhascht du sie im Gleiten nicht,
Dann, Freund, bist du verloren!"

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