Gedanken für den Tag

25. Jänner 2013, 06:56

Piero della Francesca

Sakrale Kunst und Humor, das scheint so gar nicht zusammenzupassen ? habe ich früher gedacht. Stimmt aber nicht. Je genauer man Bilder anschaut, desto mehr entdeckt man, wie sehr sich oft auch in Bildern mit ernsthaften, religiösen oder existentiellen Themen Humoristisches einschleicht. Eigentlich nicht verwunderlich. Denn jeder kennt aus seinem eigenen Leben, wie sehr Trauer und Ergriffenheit oft mit Lachen und Freude zusammenhängen.

Ein Beispiel für versteckten Humor in sakraler Kunst findet man in dem Gemälde "Geburt Christi" von Piero della Francesca. Das Bild entstand in den Jahren 1470 bis 1485 und hängt heute in der National Gallery in London. Es begeistert mich vor allem durch seine strenge Komposition und die Unsentimentalität, die den spirituellen Charakter erst recht betonen. Vor einer einfachen Hütte kniet Maria betend vor dem neugeborenen Jesuskind, das auf ihrem ausgebreiteten blauen Mantel liegt. Die Landschaft im Hintergrund erinnert weniger an Bethlehem als an die toskanische Heimat des Frührenaissancemalers.

Josef ist in tiefe Kontemplation versunken. Links neben Maria begrüßt ein Engelschor mit Lautenmusik und Gesang das wundervolle Ereignis. Hinter ihnen ein Esel, der auf gleicher Höhe mit den Engeln offenbar ebenfalls lautstark den Mund aufreißt und mitsingt. Dieser tierische Gesang erscheint zumindest aus heutiger Perspektive im Kontext der heiligen Szene komisch. Aber dieses kleine humoristische Element schmälert die feierliche Stimmung nicht: im Gegenteil. Es trägt als Teil einer überzeugenden Gesamtkomposition erst Recht zur Glaubwürdigkeit bei.

Das Leben besteht eben nicht nur aus entweder-oder. Ambivalenzen gehören zum Menschsein dazu. Die unterschiedlichsten Gefühle liegen nahe beinander und manchmal ist der Humor auch das Einzige, das einem eine berührende oder tragische Situation erträglich erscheinen lässt.

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