Zwischenruf

von Superintendent Manfred Sauer (Villach, Kärnten)

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein

Der sehr eigenwillige und wegen seiner drastischen Bilder weltbekannte
holländische Maler Hieronymus Bosch wurde um 1450 geboren. Mit 30 Jahren steigt er durch Heirat in die bürgerliche Oberschicht auf. Hieronymus Bosch wurde später vielfach angefeindet, weil er dem Orden der Brüder vom gemeinsamen Leben angehörte. Dies war eine Vereinigung von Mystikern, die sich sozial betätigten, aber als unchristlich galten. Sie pflegten die Bildung der Jugend und sammelten Bücher.
Hieronymus Bosch hat ein bis heute faszinierendes Gesamtwerk hinterlassen. Es gibt einige plausible Deutungen seiner Bilder; manche erschließen sich leichter, manche bleiben rätselhaft.
Zu den bekannten und berühmten Werken zählt das sogenannte Heuwagenbild, das für mich in seiner kritischen Beurteilung einer unersättlichen Gier nach Geld, Macht und Reichtum der damaligen Gesellschaft unglaublich aktuell ist. Im Zentrum des Bildes steht ein großer Heuwagen, der von zwielichtigen, fast dämonischen Figuren gezogen wird. Der Heuwagen ist voll beladen, ja überladen. Alle wollen in die Nähe dieses Heuwagens. Man möchte von diesem Reichtum, von dieser Fülle möglichst viel abbekommen. Die Lage spitzt sich zu. Im Vordergrund kommt es zu ersten handgreiflichen Auseinandersetzungen. Gier erzeugt bekanntlich Neid und wenn die Angst dazu kommt, zu kurz zu kommen, dann ist es mit der Rücksicht schnell vorbei.

Wir kennen solche Bilder einer entfesselten Menschenmenge, in der plötzlich nur mehr das Gesetz des Stärkeren und Schnelleren zählt und die Regeln zivilisierten Zusammenlebens plötzlich außer Kraft gesetzt werden. Bilder aus Zypern aber auch aus anderen Ländern fallen mir ein. Bei uns in Klagenfurt haben sich vor einigen Jahren sogar Menschen früh morgens nackt vor einem Kleidergeschäft angestellt, um in den Genuss kostenloser Bekleidung zu kommen.

Das zu einem riesigen Berg aufgetürmte Heu ist für mich ein Symbol für das, was der Welt so oft und auch heute vordergründig wichtig ist: Geld, Macht, Einfluss, Ansehen Wohlstand, Reichtum. Es sind nicht nur einfache und arme Leute, die sich darum raufen, einige Brösel von diesem materiellen Überfluss abzubekommen, es sind auch
hohe Repräsentanten von Staat und Kirche, die sich dem Heuwagen nähern. Allerdings hoch zu Ross und begleitet von entsprechendem Personal, das den Weg frei macht, um sich das zu holen, was einem vermeintlich zusteht.

In dieser Schärfe wird dieses Bild für mich zu einem kritischen Kommentar unserer Gesellschaft. Es hat sich scheinbar seit damals nicht viel geändert. Wir wissen, dass der Gegensatz von arm und reich immer größer wird. Wir erleben, dass die Reichen rechtzeitig ihr Scherflein ins Trockene bringen, wenn sich die Krise zuspitzt. Die Arbeitslosigkeit steigt, besonders unter den Jugendlichen und das gibt Grund zur Sorge, dass die sozialen Spannungen zunehmen und das gesellschaftliche Gleichgewicht aus den Fugen gerät.

Was können wir tun? Sparsamer und bescheidener leben? Mit gutem Beispiel vorangehen und auf sogenannte Privilegien verzichten? Das vorhandene Kapital gerechter verteilen, beziehungsweise umverteilen?
Glaubwürdigkeit wächst immer dort, wo es auch mir gelingt, zu verzichten, zu teilen, den Verlockungen und der Gier nach mehr zu widerstehen. Es braucht aus meiner Sicht beides: eine veränderte persönliche Lebenshaltung und eine politische Verantwortung, die darauf achtet, dass die Güter dieser Welt gerecht verteilt werden.

Im Heuwagenbild erscheint hoch über dem unwürdigen Treiben der Menschen Christus in einer Wolke als Schmerzensmann mit ausgebreiteten Armen und stellt die Frage, was bleibt, wenn alles Heu der Welt verzehrt oder verbrannt worden ist?

In vielen Gleichnissen und Predigten ermutigt Jesus, Heil nicht in materiellem Reichtum und Wohlstand zu suchen, denn die wahre Fülle des Lebens, das was wirklich zählt, kann man nicht kaufen, es wird geschenkt. Dazu die Verheißung Jesu in der Bergpredigt: Selig, die hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, sie sollen satt werden.

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