Gedanken für den Tag
Von Cornelius Hell. "Ahasver, der ewige Rebell" - Zum 100. Geburtstag des deutschen Schriftstellers Stefan Heym. Gestaltung: Alexandra Mantler
8. April 2013, 06:56
"Er ist die menschgewordene Unruhe. Die Ordnung der Dinge ist für ihn nur da, angezweifelt und von Fall zu Fall umgestoßen zu werden." So wird die Figur des Ahasver im gleichnamigen Roman von Stefan Heym einmal beschrieben. Der Autor greift hier eine Legendentradition auf, nach der ein Jude, der Jesus auf seinem Kreuzweg Rast und Ruhe verweigert hatte, dazu verflucht wurde, ewig und ruhelos auf Erden zu wandern, bis zur Wiederkunft Christi.
Stefan Heyms Roman spielt auf drei Ebenen: Auf einer historischen - Ahasver taucht im Deutschland des 16. Jahrhunderts auf und begegnet dem Reformator Paul von Eitzen und seinem Freund Hans Leuchtentrager. Auf einer biblischen - Ahasver ist ein gefallener Engel, der mit Gott hadert und Dispute mit Jesus führt. Und eine dritte Ebene spielt in der Entstehungszeit des Romans - Anfang der 1980er Jahre: Ein Professor Leuchtentrager in Jerusalem ist überzeugt, dass Ahasver als Schuster in seiner Stadt lebt, und will einen Professor für wissenschaftlichen Atheismus in der DDR von der Existenz dieses Ahasver überzeugen; das ist manches Mal ziemlich komisch.
Auf allen drei Ebenen ist Ahasver Gegenpol und gleichzeitig Verbündeter des Teufels - Leuchtentrager ist ja die Übersetzung des Namens Lucifer. Und in jeder Konstellation ist Ahasver der, der an die Veränderung der Welt glaubt. Während Lucifer zynisch die ungerechte Weltordnung verteidigt, die er genau durchschaut. "Gott ist das Bestehende, Gott ist das Gesetz", sagt Lucifer. Ahasver hingegen ist überzeugt: "Gott ist Veränderung."
Diese großen, von der Legendenschlacke befreiten Themen und die genaue Ironie, die auf allen Romanebenen zum Tragen kommt, machen Stefan Heym "Ahasver" zu einem der interessantesten literarischen Auseinandersetzungen mit der Bibel.
Service
Stefan Heym, Ahasver. Roman. btb Band 73357
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Sendereihe
Playlist
Komponist/Komponistin: Paul Hindemith/1895 - 1963
Titel: Sonate für Viola und Klavier
* Breit, mit Kraft - 1.Satz (00:07:10)
Solist/Solistin: Kim Kashkashian /Viola
Solist/Solistin: Robert Levin /Klavier
Länge: 02:20 min
Label: ECM 833311-2