Zwischenruf

von Superintendent Olivier Dantine (Innsbruck)

Das "Häferl" ist ein Treffpunkt für Haftentlassene und Freigänger und wohnungslose Menschen in Wien. Eine große Anzahl von Menschen erhält hier eine warme Mahlzeit und Kleidung. Auch beratende und seelsorgerliche Gespräche werden angeboten. Damit dieser Betrieb funktioniert, helfen viele Menschen freiwillig und unentgeltlich mit. Berufstätige, Schüler und Schülerinnen, Pensionistinnen und Pensionisten kommen regelmäßig zum Kochen, Essen austeilen und Geschirr spülen.

Frau Böhm aus dem südlichen Burgenland berichtet davon, wie berührend sie ihren Dienst als Mitarbeiterin im Krankenhausbesuchsdienst findet: "Die meisten Menschen, die ich und die anderen Frauen abwechselnd einmal in der Woche besuchen", so erzählt sie, "freuen sich so, dass sie spontan aus ihrem Leben erzählen. Bei diesem Dienst lerne ich Menschen, die ich oft schon seit vielen, vielen Jahren kenne, ganz neu kennen."

In Innsbruck haben sich Mitglieder der beiden evangelischen Pfarrgemeinden mit Einrichtungen des Diakonie Flüchtlingsdienstes vernetzt, um bei Bedarf rasch und unkompliziert Hilfestellungen für Flüchtlinge zu geben: finanzielle Unterstützung für einen Sprachkurs, Bereitstellung von Möbeln für die Wohnung oder auch die Begleitung von Flüchtlingen über einen längeren Zeitraum.

Das sind drei Beispiele, die auf den Internetseiten "diakonie2013.at" zu lesen sind. Die Evangelische Kirche in Österreich hat den heutigen Sonntag zum Diakonie-Sonntag erklärt. Die Diakonie, der Dienst der Kirche an den Menschen, wird in den Gottesdiensten gewürdigt. Heute ist damit der erste Höhepunkt im heurigen Jahr der Diakonie.

Ein Schwerpunktjahr zur Diakonie ist aus mehreren Gründen wichtig: Zum einen wird daran erinnert, dass die Diakonie ein wesentlicher Bestandteil des kirchlichen Lebens ist. "Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist", hat etwa der Deutsche Theologe Dietrich Bonhoeffer gesagt. Kirche beschäftigt sich nicht nur mit sich selbst, ist nicht einfach nur eine religiöse Neigungsgruppe, sondern sie ist der Welt und den Menschen zugewandt. Kirche dient den Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, unabhängig von ihrer Konfession und auch unabhängig davon, ob sie ihre Situation selbst verschuldet haben oder nicht.

Die zweite Aufgabe dieses Jahres der Diakonie ist das Knüpfen von Kontakten zu anderen Organisationen, die sich für das Wohl der Allgemeinheit engagieren. Diakonisches Handeln geschieht ja nicht im luftleeren Raum, Kirche ist mit diesem Dienst ein wesentlicher Teil der Zivilgesellschaft geworden. Das biblische Motto dieses Jahres der Diakonie lautet: "damit es zu einem Ausgleich komme". Genau der Ausgleich und das Bemühen um ein gutes Miteinander der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen ist ja Aufgabe der Zivilgesellschaft.

Schließlich geht es aber auch ganz einfach darum, den unzähligen Menschen zu danken, die im Rahmen der Diakonie ihren Dienst tun. In sehr vielen Fällen geschieht dies ehrenamtlich. Besuchsdienstkreise bemühen sich darum, dass alte Menschen nicht vereinsamen, Gemeinden öffnen nicht selten ihre Türen für Obdachlose. Sie nehmen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bei sich auf, versuchen ein Stück weit die Familie zu ersetzen. Die Beispiele können fast unendlich fortgesetzt werden. Dabei zeigt sich: Der Beitrag, den die Kirche und ihre Mitglieder damit für das Zusammenleben in der Gesellschaft leisten, ist unschätzbar.

Freilich: Es sind nicht nur evangelische Christinnen und Christen, die sich freiwillig und unentgeltlich für andere Menschen einsetzen. Für alle Christen ist die Motivation für dieses Engagement der Glaube an Gott, der Partei ergreift für die Menschen am Rand der Gesellschaft. Die Bibel bezeugt diesen parteilichen Gott. Er befreit sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten. Die Gebote, die Gott zur Gestaltung des Lebens gibt, berücksichtigen in vielen Fällen gerade die Schwachen: Armen und Fremden soll ein würdiges Leben ermöglicht werden. Genau auf dieser Linie hat auch Jesus gehandelt. Er hat sich ganz bewusst den Menschen zugewandt, die sonst ausgegrenzt wurden, hat sich mit ihnen an einen Tisch gesetzt und sie so wieder vom Rand in die Mitte geholt.

Christlicher Glaube ist daher keine Privatsache. Er ruft in die Verantwortung für die Welt, in die Verantwortung für unsere Mitmenschen. Das ist eine Verantwortung, die viele sehr gerne übernehmen. Denn es ist schön zu spüren, wie dankbar dieser Dienst oft angenommen wird, es ist schön zu erfahren, dass das diakonische Handeln die Welt ein klein wenig lebenswerter machen kann.

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