Zwischenruf

von Prof. Ulrich Körtner (Wien)

Pränataldiagnostik: auch eine Frage der Politik


Die vorgeburtliche Medizin leistet einen wesentlichen Beitrag, um die Gesundheit von Kindern vor, während und nach der Geburt, aber auch die Gesundheit von Schwangeren zu fördern. Dank Pränataldiagnostik lassen sich bereits vor der Geburt therapeutische Maßnahmen setzen oder eine Therapie nach der Geburt vorbereiten, wenn eine Krankheit oder Behinderung des Kindes festgestellt wird. Wird eine Erkrankung diagnostiziert, kann dies freilich werdende Eltern in schwerwiegende Konflikte stürzen, weil sich die Frage einer möglichen Abtreibung stellt.

Nach christlicher Überzeugung hat jeder Mensch ein uneingeschränktes Lebensrecht, und jedes menschliche Leben ist von Gott gewollt und bejaht, egal ob behindert oder nicht. Darum sollte alles getan werden, um werdende Eltern zu ermutigen und ihnen auch die erforderliche praktische Unterstützung zu geben, damit sie auch ein behindertes Kind anzunehmen und aufzuziehen bereit werden.

Verbesserte Beratungsangebote statt Symbolpolitik
Die bestehenden Konfliktlagen lassen sich jedoch nicht dadurch aus der Welt schaffen, dass man, wie von manchen gefordert, die sogenannte embryopathische Indikation ersatzlos aus dem Gesetz streicht. Sie bezeichnet die Gefahr, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde. Doch auch ohne diese Indikation blieben Abtreibungen zulässig, wenn man argumentieren kann, dass die Fortsetzung der Schwangerschaft die psychische Gesundheit der Mutter gefährdet. Bloße Symbolpolitik rettet kein einziges werdendes Leben. Doch sollte eine Abtreibung wirklich nur das letzte Mittel der Wahl sein und nicht für eine Selbstverständlichkeit gehalten werden.

Nehmen wir das Beispiel Down-Syndrom. Zwar gibt es für Österreich keine zuverlässigen Statistiken, aber die vorliegenden Zahlen deuten darauf hin, dass heutzutage rund 90 Prozent der Kinder, bei denen ein Down-Syndrom festgestellt wird, abgetrieben werden. Das Bild in der Öffentlichkeit wird einseitig von negativen Darstellungen und Vorurteilen geprägt, die das das Leben mit einem behinderten Kind nur als Last sehen und die positiven Seiten eines solchen Lebens ausblenden. Damit sollten wir uns nicht abfinden.

Pränataldiagnostische und psychosoziale Beratung dürfen die Betroffenen selbstverständlich nicht bevormunden oder in eine bestimmte Richtung drängen. Sie müssen ergebnisoffen sein. Es geht nicht darum, werdende Eltern zu einer bestimmten Entscheidung zu drängen, wohl aber darum, ihnen alle Unterstützung und Begleitung zu geben, um für sie zu einer bestmöglichen Entscheidung zu kommen, mag diese auch konfliktbeladen sein und bleiben.

Wird bereits vor der Geburt eine ernsthafte Erkrankung oder Behinderung des Kindes festgestellt, kann dies den werdenden Eltern helfen, sich rechtzeitig auf ein Leben mit einem Kind einzustellen, das aufgrund seiner Erkrankung oder Behinderung nicht nur medizinische Hilfe, sondern auch besondere Förderung, Pflege oder sonstige Unterstützung braucht.

Das setzt allerdings eine umfassende und kompetente multiprofessionelle Beratung voraus, in der nicht nur die medizinische Diagnose in einer verständlichen Form mitgeteilt und ihre Konsequenzen für die Betroffenen erklärt werden, sondern in der die werdenden Eltern umfassend über alle denkbaren Unterstützungsangebote informiert und in ihrer besonderen Krisensituation begleitet werden.

Auch die Politik ist gefragt
In Österreich herrscht immer noch ein Mangel an entsprechenden Beratungsangeboten, und das, obwohl der Ausbau psychosozialer Beratungsdienste schon im Regierungsprogramm von 2008 angekündigt wurde. Erfreulich, dass nun die evangelische Diakonie in Linz eine neue Elternberatungsstelle für werdende Eltern von Kindern mit Behinderungen eingerichtet hat.

So wichtig derartige Initiativen auch sind, darf doch die Politik nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Im bevorstehenden Nationalratswahlkampf sollten die Regierungsparteien daher an ihre eigenen Versprechen erinnert und in die Pflicht genommen werden.

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