Gedanken für den Tag

Von Barbara Glück. "Leben/Überleben". Gestaltung: Alexandra Mantler

Der Alltag im Konzentrationslager war geprägt von unvorstellbarem Leid und permanentem Mangel. Oft standen Gefangene vor der Wahl, das eigene Leben zu retten oder den sicheren Tod in Kauf zu nehmen, um persönlichen Moralvorstellungen den Vorrang zu geben. Wie bewerten Menschen solche Erfahrungen? Was können wir daraus lernen?

Am 5. Mai 1945 ist Roman Frister 17 Jahre alt.

Roman Frister und seine Familie fliehen vor den Nationalsozialisten aus Deutschland nach Polen. Nach Kriegsbeginn werden sie dort von der SS verhaftet. Die Eltern werden ermordet, Roman Frister kommt zunächst nach Auschwitz und schließlich nach Mauthausen.

Im Außenlager Eintrachthütte des KZ Auschwitz wird Frister von einem Funktionshäftling vergewaltigt und danach seiner Mütze beraubt. Das kommt einem Todesurteil gleich. Nur weil Roman Frister daraufhin einem anderen Häftling die Mütze stiehlt, überlebt er. Er gelangt nach Mauthausen, wo er schließlich befreit wird. Den bestohlenen Häftling kostet der Verlust der Mütze dagegen das Leben.

Nach dem Krieg arbeitet Roman Frister als Journalist in Polen, wo er 1952 wegen angeblicher Sabotage von den kommunistischen Behörden verhaftet wird. 1957 emigriert er nach Israel, wo er als Herausgeber und Reporter der israelischen Tageszeitung "Ha´aretz" arbeitet. 1990 übernimmt er die Leitung der Journalistenschule Koteret in Tel Aviv.

Jahrzehnte nach seiner Befreiung aus dem KZ Mauthausen veröffentlicht Roman Frister seine KZ-Erinnerungen unter dem Titel "Die Mütze oder Der Preis des Lebens". Bei diesem "Lebensbericht" handelt es sich um Erinnerungen, die besonders schmerzlich sind, da sie auch seine eigenen Untaten betreffen. Roman Frister zeigt in seinem schonungslosen Bericht wie der Mensch in dem nationalsozialistischen System an seine moralischen Grenzen stieß. "Wer nicht brutal auf die Welt gekommen war, der wurde es hier, gleichsam als eine Art Lebensversicherung", so seine Worte. Ein Auszug aus seinem Buch wird in der neuen Dauerausstellung an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen zu hören sein. Roman Frister lebt heute in Warschau.

Die Arbeit in und für eine Gedenkstätte wie Mauthausen konfrontiert einen über die Jahre mit moralischen Paradoxien und unmöglichen Entscheidungen. Die unmenschliche Ignoranz zahlloser Täter und ihrer bis heute aktiven Gesinnungsgenossen war und bleibt frustrierend. Der Kampf für Versöhnung, Gedenken und Humanität überlebender Häftlinge, engagierter Historiker, Vermittlerinnen und Förderer geben mir jedoch die Gewissheit, dass wir Menschen es in uns tragen, das Bessere zu suchen und auf diesem Weg stetig zu wachsen.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Sergej Rachmaninoff/1873 - 1943
Gesamttitel: 7 Preludes aus op.32 von Sergej Rachmaninoff
Titel: Prelude Nr.10 op.32 in f-moll für Klavier - Lento
Solist/Solistin: Svjatoslav Richter /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: JVC VDC 1026

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