Gedanken für den Tag

von Wolfgang Mazal, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien und Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung. "Mutproben für Arbeitswelt und Familie". Gestaltung: Alexandra Mantler

Mut zum Leben

Angesichts der Tatsache, dass das Leben eine einmalige Chance ist, sehen sich heute gerade junge Menschen in der Gestaltung des Lebensprojekts oft unter großem Druck: Eine umfassende Ausbildung, Berufserfahrung, ein Zweitstudium - wenn möglich mit Erwerb einer Zweitsprache im Ausland - erste Karriereschritte und Erfahrungen, Partnerschaften, mit Mitte Dreißig rasch doch noch ein Kind, weil das doch auch zum gelingenden Projekt des Lebens gehört.

Und dann: Der große Karriereschritt ist ausgeblieben, die Partnerschaft entwickelt sich anders als man im Hollywood-Ideal erträumt hat, die Kinder machen Probleme: die Unvollkommenheit des realen Lebens enttäuscht.

Gerade die Unvollkommenheit des Lebens macht jedoch sein Wesen aus: Vom alten Testament bis zu den Kerntexten des Zweiten Vatikanischen Konzils spannt sich der Bogen von Bildern, die das Leben des Menschen als Unterwegssein zeigen:

Das Leben als Wanderung kann man in all der Eintönigkeit des Weges, in aller Mühsal schmerzender Blasen an den Füßen, mit dem Gefühl von Hunger und Durst nach MEHR erfahren, aber auch als Erfahrung der Schönheit des frischen Grases, der Freude an Begegnungen und über den Ausblick auf der nächsten Bergeskuppe.

Das Bild vom "Unterwegssein" wird freilich nicht nur auf den einzelnen, sondern auch auf die Gesellschaft bezogen. Ich meine: Begreifen wir uns als "Volk Gottes unterwegs", können wir auch mit Unvollkommenheit der menschlichen Gesellschaft inneren Frieden schließen, zwar ohne den Anspruch aufzugeben, sie zu verbessern, jedoch darüber nicht zu verzweifeln, dass sie nach wie vor nicht perfekt ist.

Für mich ist die Vorstellung eines perfekten Lebens und einer perfekten Gesellschaft geradezu unheimlich, weil sie so an einem Grundton des Lebens vorbeigeht: Das Paradies ist uns für später versprochen - im noch unvollkommenen Ganzen die vielen Details des Schönen zu erkennen, macht für mich das Besondere des Lebens aus!

Ich versuche in Begegnungen im Alltag soweit ich kann, einen kleinen Strahl des Paradieses sichtbar zu machen, auch wenn dies oft unvollkommen bleibt: Das Leben ist gerade in seiner Unvollkommenheit schrecklich schön - tremendum et fascinosum, wie die mittelalterliche Philosophie sagte.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Wolfgang Amadeus Mozart/1756 - 1791
Titel: Konzert für Klavier und Orchester Nr.8 in C-Dur KV 246
* Rondeau. Tempo di Menuetto - 3.Satz (00:08:14)
Populartitel: Lützow Konzert
Klavierkonzert
Solist/Solistin: Rudolf Serkin /Klavier
Orchester: London Symphony Orchestra
Leitung: Claudio Abbado
Länge: 02:00 min
Label: DG 4100352

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