Im Gespräch

"Bürgerrecht vor Bankenrecht". Michael Kerbler spricht mit Heinrich Staudinger, Unternehmer


Was haben die Technologiefirma Canonical, Filmregisseur Spike Lee und GEA-Firmengründer Heinrich Staudinger gemeinsam? Alle drei haben auf unterschiedlichen Wegen versucht, eine Finanzierung ihrer Projekte jenseits der klassischen Bankenfinanzierung auf die Beine zu stellen. Diese Methode hat einen Namen: "Crowdfunding", auch "Schwarmfinanzierung" genannt. Während Canonical daran scheiterte über das Internet $ 32 Millionen Dollar für die Entwicklung eines "Superphone" zu generieren, gelang Spike Lee über sein Webportal "Kickstarter" binnen kurzer Zeit das Geld für die nächste Filmproduktion zu sammeln. Einige tausend Fans zahlten Beträge von $ 5,-- aufwärts ein und erhalten dafür Kinokarten, Statistenrollen oder werden zu einem Abendessen mit dem Filmstar geladen. Der im Waldviertel beheimatete Unternehmer Heinrich Staudinger hat zwei "Schwarm"-Finanzierungsmodelle geschaffen: über den GEA-"Sparverein" sammelte er 2012 zirka drei Millionen Euro an Einlagen von 200 Leuten ein. Die Mindesteinlage beträgt 3.000 Euro. Der Maximaleinsatz lag anfangs bei 50.000 Euro, der später auf 100.000 Euro erhöht wurde. Im Schnitt beliefen sich die Einlagen auf 15.000 Euro. Die zweite Variante erbrachte mehr als 990.000 Euro von mehr als 2.500 Personen. Dafür zahlte Staudinger - direkt oder indirekt - Zinsen. Was in der Folge die FMA, die Finanzmarktaufsicht, auf den Plan rief. Der Verdacht: Staudinger betreibe ein "Bankgeschäft ohne Konzession". Denn: Nur Banken dürften Zinsen für Spareinlagen ausbezahlen und die Grundsätze des Anlegerschutzes seien missachtet worden. Staudinger pocht darauf, dass das "Bürgerrecht vor Bankenrecht" gehen müsse und hält an alternativen Finanzierungsmodellen fest. In der Diskussion über neue Formen des Wirtschaftens, einer daraus resultierender Stärkung der regionalen Arbeitsmärkte und über alternative Messgrößen für Wohlstand jenseits des Bruttoinlandsprodukts wird nachvollziehbar, ja spürbar, was den Unternehmer Heinrich Staudinger motiviert und antreibt.

Service

James Fulcher, "Kapitalismus", Sachbuch, aus dem Englischen übersetzt von Christian Rochow, Reihe Kapitalismus der Reclam-Universal Bibliothek

Wolf Lotter, "Zivilkapitalismus - wir können auch anders", Pantheon Verlag, München

Harald Welzer, "Selbst denken - eine Anleitung zum Widerstand", S. Fischer Verlag

Harald Welzer und Stephan Rammler, "Der FUTURZWEI Zukunftsalmanach 2013 - Geschichten vom guten Umgang mit der Welt", S. Fischer Verlag

Robert und Edward Skidelsky, "Wie viel ist genug? Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens", Kunstmann Verlag, München

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