Gedanken für den Tag

11. Oktober 2013, 06:56

Am Ende einer durchzechten Nacht erklomm die junge, gerade erst bekannt gewordene Edith Piaf oft die Treppen des Montmartre, um in der Kirche von Sacre-Coeur volltrunken ein Dankgebet für ihren unerwarteten Erfolg zu sprechen. Ja, die große Chanson-Sängerin mit dem ausschweifenden Lebenswandel, deren Todestag sich dieser Tage zum 50. Mal jährt, war sehr religiös. Als Kind war sie infolge einer Hornhautentzündung für zwei Jahre erblindet. Die Heilung von der schweren Erkrankung schrieb sie der heiligen Thérèse von Lisieux zu. Ihr zeitweiliger Geliebter Yves Montand erinnerte sich, dass sie abends regelmäßig betete.

Auch in ihrem Repertoire finden sich aufrichtige religiöse Bezüge. In dem ergreifenden Chanson "Les trois cloches" - "Die drei Glocken" - besingt sie den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen. Sie erzählt darin von einem Erdenbürger, dem die Kirchenglocken seines Heimatdorfes dreimal läuten: Bei seiner Geburt, bei seiner Hochzeit und bei seinem Tod. Unter dem Titel "Little Jimmy Brown" wurde das Lied in den USA später von anderen Interpreten zu einem noch größeren Hit gemacht.

Drei Jahre vor ihrem Tod nahm sie das aufwühlende Chanson "Mon Dieu" auf. In den Augen ihres deutschen Biographen Jens Rosteck war dies ihr musikalisches und künstlerisches Testament. Darin fleht die Sängerin verzweifelt Gott an, ihr und ihrem Geliebten noch ein paar Tage, ein paar Monate des Glücks zu lassen: "Die Zeit, um zu beginnen oder die Zeit, um zu beenden. Die Zeit um zu strahlen oder um zu leiden. Mein Gott! Mon dieu! Mein Gott! Selbst wenn ich unrecht habe, lass ihn mir ein wenig...Selbst wenn ich unrecht habe, lass ihn mir nochmals..."

Kann es eine innigere Liaison zwischen Glaube und Liebe geben?

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