Gedanken für den Tag

von Brigitte Schwens-Harrant, Theologin und Feuilletonchefin der Wochenzeitung "Die Furche". "Freiheit, die sich erfindet und mich erfindet Tag für Tag" - Zum 100. Geburtstag von Octavio Paz. Gestaltung: Alexandra Mantler

"Die Sprache ist die Wohnung
von allen, das Haus, hängend
an der Flanke des Abgrunds.
Worte wechseln ist menschlich."

Was Octavio Paz am Ende seines Gedichts "DIE FLAMME, DIE REDE" schreibt, zieht sich auch als Gedanke durch seine vielen Essays. Und er wusste, dass "die Sprache, die wir sprechen, eine nicht weniger entscheidende Wirklichkeit ist als die Ideen, zu denen wir uns bekennen, oder der Beruf, den wir ausüben".

"Glaubensanschauungen, Mythen, Sitten und Traditionen einer jeder gesellschaftlichen Gruppe" seien ebenso bestimmend, wenn nicht bestimmender als Ideologien, Klassen, ökonomische Strukturen, Techniken und Wissenschaften, schreibt Paz. "Sagen wir Sprache, sagen wir Kultur: Gemeinschaft von Werten, Symbolen, Gebräuchen, Glaubensanschauungen, Vorstellungen, Fragen nach der Vergangenheit, der Gegenwart, der Zukunft. Wenn wir sprechen, sprechen wir nicht nur mit denen, die uns nah sind: wir sprechen auch mit den Toten und den Ungeborenen, mit den Bäumen und den Städten, den Flüssen und den Ruinen, den Tieren und den Dingen. . Wir sprechen mit uns selbst. Sprechen heißt zusammenleben, heißt in einer Weise leben, welche diese Welt mit ihren jenseitigen Welten ist, diese Zeit und die anderen: eine Kultur."

Soweit Octavio Paz. Er kannte auch die Sprache der Politik: 22 Jahre war er als Diplomat tätig. Sein Leben lang war er aber auch Poet. Und die Sprache der Poesie ist eine andere Sprache als die des Alltags, wo wir versuchen, möglichst eindeutig zu sein, um Missverständnisse zu vermeiden. Der Mensch ist ein Bedeutungswesen, wusste Octavio Paz: Was immer er berührt, kann er mit Bedeutung färben, jedes Wort, jedes Ding. Die Lyrik lebt davon: Da ist ein Baum nie nur ein Baum. Gedichte spielen mit der Mehrdeutigkeit des Wortes und eröffnen Möglichkeiten. Sie können daher Freiheit spürbar machen: "Gegen das Schweigen und das Getöse erfinde ich das WORT", heißt es bei Octavio Paz. "Freiheit, die sich selbst erfindet und mich erfindet Tag für Tag."

Service

Buch, Octavio Paz, "Gedichte", Verlag Suhrkamp
Buch, Christian Morgenstern, "Gedichte in einem Band", Insel Verlag

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Arturo Marquez/geb.1950
Album: FIESTA - LATEINAMERIKANISCHE MUSIK MIT GUSTAVO DUDAMEL - LIVE
Titel: Danzon Nr.2 < Mexikos "zweite Nationalhymne" >
Tanz
Untertitel: MEXIKO
Orchester: Simon Bolivar Youth Orchestra of Venezuela
Leitung: Gustavo Dudamel
Länge: 02:00 min
Label: DG 4777457

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