Gedanken für den Tag

von Michael Krassnitzer, Journalist. "Menschen zwischen Licht und Schatten" - Zum 2000. Todestag von Kaiser Augustus und zum 115. Geburtstag von Jorge Luis Borges. Gestaltung: Alexandra Mantler

Nur allzu gerne begehen wir den Fehler, andere Menschen in die Kategorien "gut" und "böse" einzuteilen. Solche Urteile sind natürlich in den allermeisten Fällen Unsinn. Der menschliche Charakter ist zu vielschichtig und eine menschliche Biografie ist zu komplex um derartige Pauschalurteile zu erlauben.

Besonders deutlich sieht man das an zwei komplett verschiedenen historischen Persönlichkeiten: dem römischen Kaiser Augustus, dessen Todestag sich morgen zum 2000sten Mal jährt, und dem argentinischen Schriftsteller Jorge Luis Borges, dessen Geburtstag sich kommenden Sonntag zum 115. Mal jährt. Beide werden und wurden in den höchsten Tönen gelobt, aber auch mit harschen Worten verdammt.

Augustus war für die Einen ein skrupelloser Warlord in einem grausamen Bürgerkrieg. Andere sahen in ihm vor allem den großen Staatsmann, der eine lange Periode von innerem Frieden und Wohlstand einleitete und somit für die Etablierung der römischen Kultur in weiten Teilen Europas verantwortlich war.

Bei Borges geht es nicht um Taten, sondern um Worte: Vielen gilt er als einer der wichtigsten Literaten des 20. Jahrhunderts. In den Augen mancher ist er jedoch nur ein übler Reaktionär, der wenig für Demokratie übrig hatte und sich mit südamerikanischen Militärdiktatoren gemein machte.

Wie beurteilt man solche widersprüchlichen Gestalten? Schwierige Frage. Viele neigen dazu, rückblickend vor allem das Positive zu sehen - etwa Augustus-Biograf Werner Dahlheim, für den die Dauer einer Leistung der Maßstab für Größe ist. In diesem Sinn ist auch Borges ein Großer.

Im Umgang mit der eigenen individuellen Vergangenheit jedenfalls macht das wahrscheinlich jeder und jede von uns so: In Erinnerung bleibt das Gute, das Schlechte fällt mit der Zeit dem Vergessen anheim. Das ist wohl ein zutiefst menschlicher Zug.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Georg Friedrich Händel/1685 - 1759
Album: HÄNDEL: CONCERTI GROSSI op.3 - The English Concert / Trevor Pinnock
* Allegro - 3.Satz (00:01:32)
Titel: Concerto grosso op.3 Nr.4 in F-Dur HWV 315
Orchester: The English Concert
Leitung: Trevor Pinnock
Länge: 02:00 min
Label: DG 4137272

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