Radiokolleg - Utopia
Fiktionen, Kunststaaten, Fantastereien
(1). Gestaltung: Hans Groiss
18. August 2014, 09:05
Die Wortschöpfung Utopie geht auf Thomas Morus Erzählung "Utopia" aus dem Jahr 1516 zurück und bedeutet Nichtort oder Niemandsland. Die Insel Utopia ist für den späteren englischen Lordkanzler Morus eine Idealsituation eines funktionierenden Staates und gleichzeitig Gesellschaftskritik an den politischen Systemen im Europa des 16. Jahrhunderts. Seither entwarfen Literar/innen eine Vielzahl an Gegenwelten zu einer ausweglosen Realität: Alice im Wunderland, Gullivers Reisen oder die Technologiefantasien von Jules Verne sind bis heute für Visionär/innen Vorlagen, um einer scheinbar ausweglosen politischen Wirklichkeit Alternativen entgegenzubringen. Vielerorts wurde aus der Fiktion bereits Wirklichkeit: Die Konvention von Montevideo aus dem Jahre 1933 legte fest, was es benötigt, um dem traditionellen Staatenkonstrukt zu entfliehen und einen eigenen Staat zu gründen: Bevölkerung, eine staatliche Ordnung und Beziehungen zu anderen Staaten. Seither wurden mehr als 500 solcher Mikronationen gegründet. Diese oftmals von Künstler/innen oder Künstlergruppen entwickelten Staaten sind Persiflagen auf bestehende Nationen, Experimente des sozialen Zusammenlebens, Pirateninseln oder anarchistische Neuordnungsversuche von Gesellschaftsordnungen. Hans Groiss besucht in seinem Radiokolleg schwimmende Inseln, fliegende Häuser in Weltraumkolonien und zehntausende Jahre alte Höhlenstädte. Aus Träumereien und Fluchtgedanken wurden Lebensformen, die aber oft auch als Alptraum enden.
Service
Thomas Schölderle: "Geschichte der Utopie: Eine Einführung". UTB 2012
Klaus J. Heinisch (Herausgeber), Thomas Morus, Tommaso Campanella, Francis Bacon: "Der utopische Staat: Utopia. Sonnenstaat. Neu-Atlantis". rororo 1960
Nicola Bardola: "Utopien: Ein Lesebuch". FISCHER Taschenbuch 2012
Marc Engelhardt: "Völlig utopisch: 17 Beispiele einer besseren Welt". Pantheon Verlag 2014
Stanislaw Lem: "Der futurologische Kongreß: Aus Ijon Tichys Erinnerungen". Suhrkamp Verlag 1979
Film: Paul Poet: "Empire Me - Der Staat bin ich". Indigo 2013