Radiokolleg - Vom Drang, Dinge zu besitzen

Einsichten aus Biologie und Psychologie (2). Gestaltung: Madeleine Amberger

Besitz macht nicht glücklich, heißt es. Das hindert Menschen jedoch keineswegs daran, Dinge anzusammeln oder gar zu horten. Der Durchschnittshaushalt in Europa besitzt 10.000 Dinge, und der amerikanische etwa dreimal so viel. Beim Übersiedeln entdeckt man vieles, das man schon Jahre nicht gebraucht, gesucht oder vermisst hat, wieder. Und wirft es dennoch nicht weg.

Dass Menschen so großen Wert auf Dinge legen, wurde uns nicht unbedingt in die evolutionshistorische Wiege gesungen. Unsere nächsten Verwandten im Tierreich, die Schimpansen, verwenden zwar Werkzeug und bauen Schlafnester, nutzen diese aber nur einmal. Das Konzept von Besitz spielt nur dann eine Rolle, wenn ein Tier einem anderen etwas aus der Hand nehmen will. Beim Menschen ist das anders: Schon Kleinkinder haben einen ausgeprägten Begriff von Dein und Mein.

Über die Anfänge, wann Menschen ihr Herz an Dinge hängten, kann man nur spekulieren. Archäolog/innen vermuten, dass unsere Vorfahren mit den ersten komplexeren Werkzeugen Besitzgefühle entwickelten. Und Schmuck wurde gewiss als persönliches Eigentum betrachtet. Die ältesten erhaltenen Schmuckstücke - erbsengroße Schneckenhäuser mit gebohrten Löchern - sind 100.000 Jahre alt und stammen aus dem Nahen Osten. Auch Feuer galt möglicherweise als Besitz. Denn heutige Jäger und Sammler tragen oft Glut von einem Lager zum andern mit sich.

Extremes Horten - umgangssprachlich: Messie-Syndrom - ist in den USA seit kurzem als psychische Störung anerkannt. Bildgebende Methoden zeigten, dass Menschen, die sich von nichts trennen können, unter Trauer und Entscheidungsängsten leiden. In abgeschwächter Form trifft das irrationale Verhältnis zu Dingen auf die meisten zu. Dieser sogenannte Besitzeffekt lässt sich auch in psychologischen Versuchen nachweisen. Testpersonen, die eine Tasse bekommen, wollen diese nicht gegen einen Kugelschreiber eintauschen. Selbst wenn es sie nichts kostet.

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