Zwischenruf

von Gisela Ebmer (Wien)

Wachstum

Die Steuerreform ist derzeit eines der großen Themen in der österreichischen Innenpolitik. Sie muss so gestaltet werden, dass den Österreicherinnen und Österreichern mehr Geld im Börsel bleibt, dass der Konsum angekurbelt wird und so der Wirtschaftsaufschwung gewährleistet ist. Wachstum hat die höchste Priorität.

"Nach Überprüfung Ihrer Liegenschaft wurde festgestellt, dass das zur Verfügung stehende Müllvolumen für die Zahl der gemeldeten Bewohner und Bewohnerinnen viel zu niedrig ist."

Diesen Brief erhielt eine Freundin von mir vor etwa drei Wochen. Sie lebt seit 30 Jahren in einer kooperativen Wohnhausanlage mit Nachbarn, denen es allen ein großes Anliegen ist, ressourcenschonend zu leben: Heizung und Strom stammen aus erneuerbarer Energie, die Häuser sind gut gedämmt, das Nutzwasser kommt aus dem grundstückseigenen Brunnen. Biologische Abfälle werden in den Gärten kompostiert, der Müll wird konsequent getrennt nach Papier, Glas, Metall, Plastikflaschen und Getränkekartons. Was übrig bleibt, landet im Restmüllcontainer. Und das ist nicht viel.

Meine Freundin hat im Amt angerufen. Es ist klar: Sie produziert zu wenig Müll. Daher wurden der Wohnanlage zwei zusätzliche Container vor das Tor gestellt, damit das Müllvolumen steigt.

Mein zweieinhalbjähriger Enkelsohn Juri hat in einem Geschäft beim Einkaufen mit seinem Vater einen Luftballon geschenkt bekommen. Er geht hinaus, steht auf der Straße und sagt - in seiner Kleinkindersprache: Ich hab schon einen Luftballon zu Hause. Den brauch ich nicht. Sein Vater musste mit ihm zurückgehen ins Geschäft und den Luftballon zurückbringen.

Als mein Vater gestorben ist, meine Mutter ins Pflegeheim kam, musste ich mit meinen Geschwistern die Wohnung meiner Eltern räumen, weil wir sie verkauft haben. Es war eine Wahnsinns-Arbeit und ich habe mir geschworen, nie in meinem Leben so viele Dinge anzusammeln, die ich niemals brauche, die aber dann meine Hinterbliebenen für mich wegschaffen müssen.

In Tirol gibt es sogenannte Reparatur-Cafes: In gewissen Abständen gibt es am Samstagvormittag in einem Lokal Kaffee und Kuchen, und etliche ambitionierte Bastler und Bastlerinnen reparieren kaputte Elektrogeräte, Computer, Maschinen, die man sonst wegwerfen müsste, weil schon der Kostenvoranschlag für eine Reparatur 30 Euro kostet. Die vielen Leute, die dort hinkommen, freuen sich, dass sie ihre geliebten alten Geräte behalten können, die nun wieder gut funktionieren. Es ist dies eine Sozialinitiative gegen die Wegwerfgesellschaft.

Das Wachstum auf unserer Erde ist begrenzt. Wenn etwas wachsen kann und soll, dann ist das eine gerechte Verteilung von Arbeit, von Gütern, von Reichtum auf unserer Erde. Wachsen sollen die Überlebenschancen von Millionen Menschen, die in Ausbeutung und Armut leben. Wachsen soll das Einkommen von Frauen in unserem Land, das für dieselbe Arbeit um 23 Prozent niedriger liegt als jenes der Männer. Wachsen soll das Bewusstsein für Müll-Vermeidung und für die Verwendung von erneuerbarer Energie. Wachsen soll die Solidarität unter den Menschen, der Zusammenhalt und der Frieden. Jesus spricht vom Reich Gottes, welches so klein ist wie ein Senfkorn und doch schon vorhanden. Es wird wachsen, bis es ein großer Baum ist. Da gibt es noch viel zu tun und das wäre doch eigentlich eine gute Ausgangsbasis für eine Steuerreform.

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: L. Uwe Frey
Gesamttitel: L. UWE FREY NR. 1
Titel: You are
Ausführende: L. Uwe Frey
Länge: 00:30 min
Label: ORF-Enterprise Musikverlag

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