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Ruth Beckermann: Installation "THE MISSING IMAGE"

Das von Alfred Hrdlicka geschaffene "Mahnmal gegen Krieg und Faschismus" wurde von der Filmemacherin Ruth Beckermann mit der Installation "THE MISSING IMAGE" neu kontextualisiert. Für sie ist die Plastik, seitdem sie 1988 auf den Wiener Albertinaplatz aufgestellt wurde, ein Ärgernis. Sie ist zwar in Reaktion auf die Waldheimaffäre entstanden, durch die wieder altbekannte, antisemitische Töne laut wurden, denen man politisch etwas entgegen setzen musste. Diese Bemühungen fanden 1988 in dem Hrdlicka-Mahnmal Ausdruck: vor zwei in Stein gehauenen Skulptur-Gruppen - die allgemein an NS-Opfer erinnern - eine Bronzefigur, die einen knienden, straßenwaschenden Juden darstellen soll. Für Ruth Beckermann eine beleidigende Art der Umsetzung, da die Figur nicht zu verstehen gibt, worum es hier geht. Bereits damals verfasste sie einen Text, in dem sie nach den "Tätern" fragte. Nach jenen Menschen, die zusahen und lachten.

Nun fügt Ruth Beckermann mit ihrer temporären Installation "THE MISSING IMAGE" dieses fehlende Bild dem Mahnmal hinzu: Es ist ein kürzlich im österreichischen Filmmuseum gefundener, 5-Sekunden Filmclip, auf dem erstmals in bewegten Bildern eine "Reibpartie" gezeigt wird - eine Erfindung der Wiener Antisemiten, bei der Juden damit gedemütigt wurden, indem sie eben auf Knien die Straße reinigen mussten. Eine Menge lachender Menschen sieht zu. Ein SA-Mann hält den Besen in der Hand einer jungen jüdischen Frau in die Kamera. Die Zuseher sind amüsiert. Sie genießen das Machtgefühl, auf Menschen, die am Boden kriechen, herab sehen zu können.

Der fünf Sekunden kurze Clip wurde bearbeitet und geloopt und dem Hrdlicka Mahnmal eingeschrieben. Zu sehen rund um die Uhr, von heute an, bis zum 10. November. Durch die Reflexion Österreichischer Vergangenheitsbewältigung treffen nun drei Körper und drei unterschiedliche Materien aufeinander. Die Bronzefigur des Opfers, die in einer Zweikanal-Inszenierung auf LED-Screens projizierten Körper der historischen Täter und die realen Körper der Passanten, die sich in der Oberfläche der Screens spiegeln. Für die LED-Lösung hat sich Ruth Beckermann entschieden, weil es einerseits immer gut ist, für politische und diskursive Projekte die avancierteste Technologie zu verwenden. Andererseits haben LED-Screens den Vorteil, dass sie zu jeder Tag und Nachtzeit gut zu sehen sind und dadurch auch tagsüber Menschen mit der Installation konfrontiert oder von ihr irritiert werden können.

Damit liegt es auch an den heutigen Bewohnern Wiens und den Wienbesuchern, dem damaligen Antisemitismus eine neue Perspektive hinzuzufügen. In diesem Sinne versteht sich die Installation "THE MISSING IMAGE" als Intervention, die den bis heute immer gleichen Mechanismus der Ausgrenzung zeigt - klanglich begleitet von der aus Graz stammenden, international renommierten Komponistin Olga Neuwirth. Eröffnung ist heute um 17:30 am Wiener Albertinaplatz. Dieser Tag wurde übrigens nicht zufällig gewählt. Am 12. März 1938 - also vor genau 77 Jahren - wurde Österreich an Nazi-Deutschland angeschlossen.- Gestaltung: Ursula Mürling-Darrer

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