Radiokolleg - Leistungsträger Kind
Überfordern durch zu viel Fördern (1).
Gestaltung: Sonja Bettel
11. Mai 2015, 09:05
Die Welt in den reichen Industrieländern ist voll von Wettbewerb, Rankings, Leistungsmaximierung und Perfektionierung. Was Erwachsene reihenweise in das Burn-out treibt, macht auch vor Kindern nicht Halt. Schon im Vorschulalter werden sie getestet, ob sie den Erwartungen bezüglich ihrer Sprach- und sonstigen Kompetenzen entsprechen, in eigenen Unterrichtseinheiten gefördert, damit sie mit dem Strom mitschwimmen können, und sie haben ein dichtes Programm mit Kindergarten, Englischunterricht, Musik, Ballett, Sport, Theaterspielen oder Gehirnjogging.
Freies Spielen, die Welt erkunden, ohne Anleitung basteln, faulenzen oder sich langweilen haben da keinen Platz mehr. Die Kinder müssen auf den gnadenlosen Wettbewerb vorbereitet werden, ja unterliegen ihm spätestens in der Vierten Klasse Volksschule selbst schon. Die Schul- und Studienvorschriften fördern nicht das selbstständige Denken und das individuelle Wachstum, sondern die Normierung für eine Wirtschaft, in der der Mensch nur noch stört. Und die Eltern, besorgt um die Zukunft ihrer wertvollen Sprösslinge und verwirrt durch tausende Erziehungsratgeber, können nicht mehr spüren, was ihr Kind braucht, sondern glauben, ihrem "Projekt Kind" das Beste ermöglichen zu müssen.
Die Folge sind Kinder, die bereits unter Depressionen, Schlafstörungen, Essstörungen und Angstzuständen leiden, die sich minderwertig fühlen und sich zurückziehen oder ihr Umfeld tyrannisieren. Damit sie wieder "funktionieren" und die gestressten Eltern und Lehrer nicht belasten, werden sie zu Therapeuten geschickt oder mit Medikamenten vollgestopft.
Doch es geht auch anders. Eine Organisation aus Wien zum Beispiel bietet Feriencamps an, die kein Programm haben und dafür den Kindern maximalen Freiraum für eigene Gestaltung bieten. Eine Schule in Berlin holt aus den Kindern und Jugendlichen das Beste heraus, weil sie keinen Druck ausübt, Noten abgeschafft hat und auf Gemeinschaft setzt statt auf Konkurrenz. Nur so, sagt die Direktorin, die das Konzept dafür entwickelt hat, können jungen Menschen auf die Veränderungen der Zukunft vorbereitet werden.
Service
Felicitas Römer: "Arme Superkinder. Wie unsere Kinder der Wirtschaft geopfert werden". Beltz 2011
Andreas Weber: "Mehr Matsch! Kinder brauchen Natur". Ullstein 2011
Andreas Weber mit Max und Emma: "Das Quatsch-Matsch-Buch. Das Aktionsbuch: großstadttauglich und baumhausgeprüft". Kösel 2013
Edith Steffan: "Reif für die Schule? Praktische Beobachtungshilfen und Fördermaßnahmen für die ersten beiden Schuljahre". Veritas 2001
Edith Steffan: "Vom Kindergarten in die Schule. Materialien zur Dokumentation des Lernfortschrittes". Veritas 2008
Volkssschule Schenkenfelden
Edith Steffan
Felicitas Römer
Evangelische Schule Berlin Zentrum
Andreas Weber
Das bunte Dorf
Freiraum
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Sendereihe
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