Gedanken für den Tag

6. August 2015, 06:56

Dass jeder Augenblick unser letzter sein kann, ist uns nur selten bewusst, und oft bedarf es radikaler Lebensereignisse, um das in aller Tiefe zu begreifen. Ein Schicksalsschlag in der Familie, ein Unfall, dem man nur knapp entronnen ist oder auch nur eine intensive, Zeit absorbierende Begegnung mit einem Menschen. Plötzlich verändert sich meine Wahrnehmung, lichten sich die Gedankenschleier und ich bin ganz auf das konzentriert, was jetzt ist.

Aber was heißt es, dieses Bewusstsein in den Alltag zu integrieren, kann man dann überhaupt so weitermachen wie bisher?

Ich nenne es sehr vorsichtig ein Arrangement mit der Unendlichkeit, und in diesem Spannungsfeld bewege ich mich, wenn ich zum Beispiel mit unserer zweijährigen Tochter an einem ganz normalen Donnerstagvormittag in die Natur gehe, um einfach Zeit mit ihr zu verbringen. Die Vernunft, die sich innerhalb des Systems bewegt, sagt mir, ich müsste jetzt wie viele andere Väter im Büro bei der Arbeit sitzen und dafür sorgen, dass es meiner Tochter später einmal gut geht. Das Arrangement mit der Unendlichkeit aber sagt mir, wer weiß, vielleicht ist dieser Tag der letzte, der uns bleibt, und wenn dem so ist, was kann dann naheliegender sein, als dafür zu sorgen, dass es meiner Tochter heute gut geht, dass sie einen Tag erlebt, der ihr Freude macht.

Auch wenn ich deshalb nicht auf den Erwerb meines Lebensunterhaltes vergesse, so empfinde ich diesen selbst genommenen Freiraum als essentiell, um mich angemessen in der Zeit bewegen zu können. Im Hier und Jetzt zu sein ist für mich kein starrer Zustand des "nur so und nicht anders", sondern ein konzentrierter Balanceakt zwischen einer Ewigkeit, die mir alle Freiheiten schenkt und einer Endlichkeit, die mich in die Verantwortung nimmt.

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Roman Pachernegg

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