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"Wir sind alle Marienthal" - Produktion der "Fleischerei mobil"

"Wir sind alle Marienthal" - so heißt die jüngste Produktion der Theatergruppe "Fleischerei mobil". Kommende Woche hat das Stück im Gemeindezentrum von Marienthal-Gramatneusiedl Premiere - genau an jenem Ort in Niederösterreich also, wo 1933 die berühmte Studie von Paul Lazarsfeld, Marie Jahoda und Hans Zeisel über die Auswirkungen langer Arbeitslosigkeit auf die soziale und psychische Situation von Betroffenen entstand. Der wegweisenden soziographischen Studie ("Die Arbeitslosen von Marienthal") wird in der multimedialen Performance der Fleischerei ein Text der Schriftstellerin Margit Hahn gegenübergestellt: dieser besteht aus den Aufzeichnungen sogenannter "Kündigungsgespräche", wie sie in den Chefetagen von Unternehmen stattfinden "Fair und nachhaltig kündigen" heißt Hahns Text.

Eva Brenner ist die Prinzipalin der experimentellen Wanderbühne Fleischerei mobil. Seit vierzig Jahren führt sie ihre Truppe, die früher Projekt Theater hieß. Ihre Arbeit versteht Brenner als künstlerischen Zugang zum wirklichen Leben; und das Leben literarisch zu dokumentieren ist auch das Bestreben der Autorin Margit Hahn.

Während der Weltwirtschaftskrise wurde nach der Schließung einer Fabrik 1931 das ganze Dorf Marienthal arbeitslos. Die Betroffenen verfielen nach wenigen Monaten in eine kollektive Antriebslosigkeit. Was aber geht heute vor sich, wenn jemand in einem kurzen Gespräch aus der Gemeinschaft der Arbeitenden ausgeschlossen und als Ver-Einzelter dasteht, fragt Hahn, die sich in ihrem Text "Fair und nachhaltig kündigen" auf Aufzeichnungen bezieht, die sie als Betriebsrätin gemacht hat.

Das Thema Arbeit und Arbeitslosigkeit liegt derzeit offenbar in der Theaterluft: Nicht nur die kleine niedrigbudgetierte Gruppe "Fleischerei mobil" setzt sich gegenwärtig damit auseinander. Das Wiener Volkstheater verweist mit seiner aktuellen Produktion "Der Marienthaler Dachs" auf größere Zusammenhänge zwischen Arbeits - und globaler Finanzwelt. Arbeit ist sinnstiftend, das ist ein Ergebnis der Studio über die Arbeitslosen in Marienthal. Eva Brenner hält auch Kultur für sinnstiftend: Sinn für alle.- Gestaltung: Christa Eder

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