Gedanken für den Tag

von Doris Schretzmayer, Schauspielerin. "Weckruf zum Lernen". Gestaltung: Alexandra Mantler

Wenn mein Sohn in den kälteren Monaten gelegentlich verkühlt ist, neige ich dazu, ihn zur Schonung zu mahnen. Er ist jetzt 9 Jahre alt, geht in die 3. Klasse und sie müssen wissen, er geht sehr gerne zur Schule und ist sehr selten krank. Daher finde ich, dass er ruhig mal schwach sein kann, wenn er schwach ist. Er allerdings sieht das anders: Er bleibt keinen Tag länger vom Unterricht fern als unbedingt notwendig und er besteht darauf, dass ich mich in der Schule erkundige, welche Hausaufgaben es gibt, damit er sie zu Hause machen kann und nicht zu viel versäumt.

Ich komme mir in dem Moment vor wie ein übriggebliebener Hippie - ich möchte ihm eigentlich Druck ersparen. Er aber erlebt gar keinen Druck und empfindet die Aussicht auf Schonung als unbefriedigend, weil er es liebt, seine Aufgaben beisammen zu haben.

Meine Freundin meinte dazu lachend, ich könne doch nicht Wasser predigen und Wein trinken. Ich verstand zunächst nicht, aber sie erinnerte mich an eine Reihe von Theatervorstellungen, es waren etwa 15 hintereinander, an denen ich mit grippalem Infekt und leichtem Fieber auf der Bühne gespielt hatte und es mir wirklich wichtig gewesen war, trotz Schwäche keine einzige Vorstellung abzusagen, meine Kollegen nicht im Stich zu lassen und unser Publikum mit aller Spielfreude zu empfangen.

Ich weiß nicht, ob mein Sohn mich da zum Vorbild genommen hat, ohne dass ich es bemerkt oder gewollt habe. Aber wenn ich etwas mit Freude tue, tue ich es eben auch, wenn ich körperlich ein bisschen angeschlagen bin, Begeisterung kennt keine Grenzen, auch keine körperlichen und wer begeistert ist, empfindet Schonung als Strafe und Rückzug als Hohn.

Wahrscheinlich kann man sich nicht aussuchen, ob man in der einen Angelegenheit Vorbild ist und in der anderen nicht, die Entscheidung darüber trifft das Kind selbst. Und oft geschieht das, wenn wir uns unbeobachtet fühlen. Kinder nehmen ständig etwas wahr, wovon wir uns gar nicht bewusst sind, dass es wahr ist. Eltern sind nicht zwingend Vorbild, sondern nur wenn sie authentisch tun, was sie gerne tun.

Und das Schönste und Wundersamste ist: dass die Kinder sich ihren eigenen Reim darauf machen, das können wir nicht steuern.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Andrea Morricone/geb.1964
Bearbeiter/Bearbeiterin: Angela Morley /Arrangement/1924 - 2009
Album: CLASSIC PERLMAN: RHAPSODY
Titel: Love theme/instr. / aus dem Film "Cinema Paradiso"
Solist/Solistin: Itzhak Perlman /Violine
Orchester: Pittsburgh Symphony Orchestra
Leitung: John Williams
Länge: 02:00 min
Label: Sony Classical SK89449

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