Salzburger Nachtstudio
"Empört Euch!" Skandal und Skandalisierung
als Spiegelphänomene der Gesellschaft.
Gestaltung: Sabrina Adlbrecht
28. Oktober 2015, 21:00
Ob Wirtschaft, Politik, Religion oder Kultur - sämtliche Lebensbereiche sind von immer rascher aufeinander folgenden Krisen gekennzeichnet. Auf einem derart unsicher erscheinenden gesellschaftlichen Boden gedeiht ein Phänomen besonders gut: Der Skandal.
Dessen Ausgangspunkt ist immer ein Verstoß gegen eine Gruppennorm. Was er abbildet, sind die jeweils geltenden sozialen Normen und Tabus - ja der Skandal macht diese oft erst sichtbar und sagt damit viel über den Zustand einer Gesellschaft aus.
Idealtypisch wird das Phänomen des Skandals als Prozess informeller gesellschaftlicher Selbstkontrolle beschrieben: Eine kritische Öffentlichkeit sanktioniert Verfehlungen, insbesondere jene der Mächtigen. Was der Skandal braucht, ist Öffentlichkeit, und die erlangt er durch die Massenmedien. Die erwünschte Aufdeckung von Missständen ist das Eine. Das Andere ist die gerade in letzter Zeit vermehrt zu beobachtende Skandalisierung von Einzelpersonen mit oft schwerwiegenden, mitunter existenzbedrohenden Folgen für die Betroffenen. Vor allem das Internet mit seinen neuen Kommunikationsplattformen, so wird vielfach konstatiert, habe einen völlig neuen "Skandaltyp" geschaffen, bei dem es nicht mehr um öffentliche Empörung gehe, sondern nur noch darum, Menschen bloßzustellen. Manchmal werden Skandale aber auch gezielt zu PR-Zwecken inszeniert - es geht schließlich um das höchste Gut in der Mediengesellschaft: um Aufmerksamkeit.
Welche Funktionen hat ein Skandal? Nach welchen Regeln verläuft Skandalisierung? Sabrina Adlbrecht geht der Frage nach, wie sich Struktur und Inhalt der Skandalberichterstattung im Lauf der Zeit verändert haben.
Service
Jörg Bergmann, Bernhard Pörksen (Hrsg.): Skandal! Die Macht öffentlicher Empörung. Herbert von Halem Verlag, Köln, 2009 (edition medienpraxis, 6). ISBN 978-3-938258-47-7
Frank Bösch: Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880-1914. Verlag Oldenbourg, München 2009. ISBN 978-3-486-58857-6 (= Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, Band 65).
Steffen Burkhardt: Medienskandale. Zur moralischen Sprengkraft öffentlicher Diskurse. Herbert von Halem Verlag, Köln, 2006. ISBN 978-3-938-258279
Gehler, Michael, Hubert Sickinger (Hg.): Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim. 776 S., 1. Aufl. 1995; 2., durchges. Aufl. 1996 (jeweils Thaur/Wien/München: Druck- und Verlagshaus Thaur), 3. Aufl. (Reprint der 2. Aufl.), Innsbruck/Wien/Bozen: Studienverlag 2007.
Rolf Ebbighausen, Sighard Neckel (Hrsg.): Anatomie des politischen Skandals. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-518-11548-0 (= Edition Suhrkamp Band 1548).
Hans Matthias Kepplinger: Die Mechanismen der Skandalisierung - zu Guttenberg, Kachelmann, Sarrazin & Co.: Warum einige öffentlich untergehen - und andere nicht. Verlag Olzog, München 2012. ISBN 978-3-7892-8248-5
Hans Mathias Kepplinger: Publizistische Konflikte und Skandale, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009; ISBN 978-3-531-16900-2 (=
Theorie und Praxis öffentlicher Kommunikation. Band 2).
Bernhard Pörksen, Hanne Detel: Der entfesselte Skandal. Das Ende der Kontrolle im digitalen Zeitalter. Herbert von Halem Verlag, Köln, 2012. ISBN 978-3-86962-058-9
André Haller: Dissens als kommunikatives Instrument. Theorie der intendierten Selbstskandalisierung in der politischen Kommunikation. Zweite, korrigierte Auflage. University of Bamberg Press, Bamberg, 2014. Link zum Volltext