Salzburger Nachtstudio

Gemeinschaft: Überlebenskitt seit dem Mittelalter?
Gestaltung: Wolfgang Slapansky

Die Bildung von Gemeinschaften zählt zu den frühesten Kennzeichen menschlicher Existenz. In den unterschiedlichen Zeitepochen haben sich sehr differenzierte Bilder, Ideen und Vorstellungen von "Gemeinschaft" herausgebildet. Und auch die Triebkräfte der Gemeinschaftskonstruktionen waren sehr unterschiedlich. Vergleicht man die "Gemeinschaften" des Mittelalters in Europa und Asien, so fällt auf, dass überall die Religion eine zentrale Rolle innehatte. Religionen, im Konkreten Christentum, Islam und Buddhismus, sind in der sozialen Praxis wirksam geworden, sie haben dazu beigetragen, Menschen zu integrieren, aber auch dazu, Menschen auszugrenzen.

Im Frühmittelalter hatten die Religionen nicht zuletzt die Aufgabe Herrschaft zu legitimieren. Zunächst waren das Imperien: In Rom (Christentum), im Kalifat (Islam) und in Tibet (Buddhismus). Daneben entwickelten sich andere Gemeinschaftsformen: lokale, regionale, städtische, religiöse. Nach dem Zerfall der Imperien wurden oft ethnische Gemeinschaften wichtiger. Nach dem Zerfall des Römischen Reichs wurden Teile Europas ethnische Herrschaftsgebiete, etwa die der Dänen, Franken, Angeln usw. Daraus entwickelten sich Staaten, die heute noch die europäische Landkarte prägen. Die arabischen Stämme wiederum legitimierten ihre Herrschaft nicht mit ethnischer Identität, sondern durch Dynastien oder religiöse Bewegungen. Im Tibetischen Buddhismus waren es Clans, Stämme und Regionen, die sich der religiös fundierten Vorstellung einer Gemeinschaft der Tibeter unterordneten. Der Vergleich erlaubt uns, unterschiedliche Entwicklungen und ihre gemeinsamen Voraussetzungen besser zu verstehen. Mit der Entstehung von "Gemeinschaften" beschäftigt sich derzeit ein großes Forschungsprojekt, an dem die Akademie der Wissenschaften in Wien (Institut für Sozialanthropologie, Institut für Mittelalterforschung, Institut für Kultur- und Geistesgeschichte Asiens) sowie die Universität Wien (Institut für Geschichte, Institut für Kunstgeschichte, Institut für Osteuropäische Geschichte) beteiligt sind.

Die im Mittelalter vorgezeichnete Gemeinschaftsbildung hat ihre Auswirkungen bis in die Zeit der Nationalstaaten und dem Nationalismus. Heute engagieren sich viele für die Zivilgesellschaft. Also in Gemeinschaften, die explizit eine Ergänzung zum Staat sein wollen oder Opposition zum Staat. Die Stichworte: mehr Demokratie, Bürgerbeteiligung, Mitsprache. Wolfgang Slapansky zeigt unterschiedliche Gemeinschaftskonzepte auf, deren Ursprung in den mittelalterlichen Gemeinschaftsbildern zu finden ist.

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