Gedanken für den Tag

von Cornelius Hell, Literaturkritiker und Übersetzer. "Weltpoesie ist Weltversöhnung" - Zum 150. Todestag des Dichters und Orientalisten Friedrich Rückert. Gestaltung: Alexandra Mantler

"Ich bin der König eines stillen Volks von Träumen,
Herrscher in der Phantasien Himmelsräumen,.."

so hat sich der Dichter Friedrich Rückert in einem seiner Gedichte selbst beschrieben. Der weit ausgreifende Gestus auf die Himmelsräume sagt auch, dass Rückert, der ganz in seiner fränkischen Heimat verankert war und kaum über Deutschland hinausgekommen ist, die Poesie der ganzen Welt im Blick hatte und in ihr lebte.

Rückert ist einer der begnadetsten und kühnsten Übersetzer, den die deutsche Sprache je hatte. Über vierzig Sprachen erlernte er im Laufe seines Lebens, darunter Hebräisch, Sanskrit, Persisch, Arabisch, Armenisch, Syrisch, Äthiopisch, Koptisch und Malabarisch. Er hat große Teile des Koran sowie arabische und persische Lyrik übersetzt, etwa den berühmten Dichter Hafis, der Goethe zu seinem Westöstlichen Divan angeregt hat, oder Rumi, den größten Lyriker des Islam und Inspirator der Tanzenden Derwische. Auch aus dem Sanskrit hat Rückert wichtige Werke übertragen. Die bekannte Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel schreibt in ihrem Buch über Rückert, das der Wallstein Verlag zu seinem 150. Todestag neu aufgelegt hat, "daß Rückerts Übersetzungsleistung dem Deutschen einen Schatz geschenkt hat, den keine andere Sprache besitzt".

In einem Gedicht hat Rückert ausgesprochen, warum er diese gewaltige Arbeit unternommen hat:

"Dass ihr erkennt: Weltpoesie
Allein ist Weltversöhnung."

Nach einer Periode des Hasses gegen den Islam hatte die Aufklärung ein neues Orientbild ermöglicht. Und Rückert wurde mit seinen Übersetzungen zum ersten Anwalt eines Dialoges der Kulturen und Weltreligionen im deutschen Sprachraum. Er verstand es auch wie kein anderer, die orientalische Sprachmusik im Deutschen wiederzugeben.

Als Student hörte Rückert ein Semester lang in Heidelberg die Vorlesung über griechische Metrik von Johann Heinrich Voß, dem berühmten Übersetzer der homerischen Epen Ilias und Odyssee. Er war fasziniert von Voß, "denn der Herr hört feiner als zehn Nachteulen zusammen", berichtete er einem Freund - das schönste Kompliment, das man einem Übersetzer machen kann und das noch mehr für Rückert selbst gilt.

Service

Buch, Friedrich Rückert, "Kindertodtenlieder und andere Texte des Jahres 1834", Wallstein Verlag (=Friedrich Rückerts Werke. Historisch-kritische Ausgabe "Schweinfurter Edition")
Annemarie Schimmel (Hg.), "Friedrich Rückert, Ausgewählte Werke", Insel Verlag
Walter Schmitz (Hg.), "Friedrich Rückert, Gedichte", Reclam Verlag
Friedrich Rückert, "Erinnerungen aus den Kinderjahren eines Dorfamtmannsohns", Wallstein Verlag
"Der Koran". Übersetzt von Friedrich Rückert. Anaconda Verlag
Friedrich Rückert. "Die Weisheit des Brahmanen", Anaconda Verlag
Annemarie Schimmel, Friedrich Rückert, "Lebensbild und Einführung in sein Werk", Wallstein Verlag
Rudolf Kreutner (Hg.), "Der Weltpoet. Friedrich Rückert 1788 - 1866. Dichter, Orientalist, Zeitkritiker", Wallstein Verlag

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Franz Schubert/1797 - 1828
Titel: Quartett für Streicher Nr.13 in a-moll DV 804
* Allegro ma non troppo - 1.Satz (00:13:10)
Streichquartett
Ausführende: Melos Quartett
Ausführender/Ausführende: Wilhelm Melcher /Violine
Ausführender/Ausführende: Gerhard Voss /Violine
Ausführender/Ausführende: Hermann Voss /Viola
Ausführender/Ausführende: Peter Buck /Violoncello
Länge: 02:00 min
Label: Novalis 150058-2

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