Radiokolleg - A schwoazze Dintn

Die Wiener Gruppe als literarische Boy Group der 50er Jahre (2). Gestaltung: Thomas Mießgang

Als sich in den frühen 1950er Jahren eine Reihe von Avantgardeliteraten in der Bundeshauptstadt zur losen Vereinigung "Wiener Gruppe" zusammenschlossen, war dies eine Kampfansage gegenüber der sich gerade organisierenden konservativen Restauration und gleichzeitig ein künstlerisches Programm gegen Langeweile und ästhetischen Stillstand. H.C. Artmann, Gerhard Rühm, Konrad Bayer, Friedrich Achleitner, später auch Oswald Wiener nutzten die "Stunde Null" nach dem Katastrophen-Intermezzo des Nationalsozialismus, um in kritischer Aneignung und Umschreibung von Vorkriegsavantgarden wie Dada, Surrealimus und Expressionismus neu Maß zu nehmen an einem Land, dessen Skurrilität und Hang zum Exzentrischen sie liebten, während sie den durch die Couloirs der Nachkriegsministerien immer noch wehenden Untertanengeist verabscheuten.

Die "Wiener Gruppe" war im Milieu des "Art Club" und dessen Vereinslokal "Strohkoffer" auf die nötige Betriebstemperatur gebracht worden und übte sich im "poetischen act", von Artmann definiert als Ausdruck einer spontanen Handlung, die nicht an ein Aufzeichnungsmedium gebunden ist. Ab 1954 begann die hochaktive Phase der Wiener Gruppe, die weniger im traditionellen Sinne publizierte, als vielmehr in einer Mischung aus Lesung, Performance und frühem Happening das Publikum entweder bezauberte, unterhielt oder provozierte. Man äußerte sich nun auch kritisch-politisch, widmete sich der konkreten Poesie, pflegte eine konsequente Kleinschreibung und gefiel sich in der "splendid isolation" einer allgemein missverstandenen Avantgardebewegung. Die Protagonisten der literarischen Boy Band, die zwar im Falle von Bayer und Wiener dem Old Time Jazz näher standen als dem Rock 'n' Roll, waren aber nicht nur sperrig, resilient, und politisch provokant, sondern mit experimentellen Dialektdichtungen wie "med ana schwoazzn dintn" von H.C. Artmann durchaus auch unterhaltsam und dem Klischee verbunden - das sie aber gleichzeitig auch wieder transzendieren konnten. Aus heutiger Sicht ist die Wiener Gruppe vor allem wichtig als Widerstandszelle in einem Land, das sich nach dem Zweiten Weltkrieg allzu selbstgefällig-unkritisch im Hier und Jetzt einrichtete und die, obwohl Ruhm und Mythos immer größer waren als der Erfolg, bis heute eine nachhaltige Wirkung entfaltet. Unter anderem mit diesem Gedicht von Gerhard Rühm, das der unangenehmen Wahrheit eine "akustische Maske" überzieht: "waun s aun da schenan blaun donau schdinkt daun hot da johann schdrauss im soag an schas lossn".

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