Aus dem Konzertsaal
ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Dirigent: Cornelius Meister; Jochen Schmeckenbecher, Bariton.
Joseph Haydn: Ouvertüre zu "Acide e Galatea" Hob. Ia/5 Gustav Mahler: Adagio (Symphonie Nr. 10) Friedrich Cerha: Baal-Gesänge (1981) (aufgenommen am 3. März im Großen Konzerthaussaal in Wien in Dolby Digital 5.1 Surround Sound). Präsentation: Eva Teimel
11. März 2016, 19:30
Baal und seine Gesänge
Meine ersten drei Werke für die Bühne sind identisch mit drei verschiedenen und wesentlichen Stadien meiner künstlerischen Entwicklung; gleichzeitig fassen sie das mich an menschlicher Existenz, am Leben heute besonders Bewegende von drei verschiedenen Blickpunkten her. Sie sind alle eine Art »Welttheater«. In den Spiegeln wird Leben gleichsam aus einer raumzeitlichen Distanz betrachtet. »Netzwerk« wechselt die Perspektiven: Verhaltensweisen der Masse »Mensch« und mikroskopisch herangezogene, typisierte Individualbereiche stehen einander gegenüber und durchdringen einander. Das Verhältnis von menschlicher Gesellschaft und Individuum war auch an Brechts Baal jenes Problem, das mich am meisten interessiert und seit dem Anfang der Fünfzigerjahre beschäftigt hat - hier extrem und provokant vom Einzelnen her gesehen. »Baal« ist - und war für mich im Besonderen - eine Reflexion über das »Einsteigen«, das den Kern unserer Existenz betrifft. Er selbst tut es nicht, wie der Ichthyosaurus, der zur Zeit der Sintflut nicht in die rettende Arche steigen wollte, weil er »Wichtigeres« zu tun hatte in diesen Tagen. Baal lässt sich von den »Kunstsinnigen« nicht »verwursten«, die ihn hochloben und seine Gedichte verkaufen wollen; sie lassen ihn daher fallen. Aber auch dem »Volk«, den Chauffeuren, für die er in der Kneipe singt, ist »Kunst« nicht geheuer und das Publikum im Kabarett, in dem er später auftritt, erwartet von ihm ewig die gleichen Zoten: Eine Weile hält er seinen Kontrakt, um mit der Einzigen, die er länger bei sich behält, leben zu können - dann reißt er aus. Sein Hunger nach Leben, seine Suche nach dem Land, »wo es besser zu leben ist«, treiben die Isolation; aber das Wesentliche an ihm ändert sich nicht, während er sinkt. Inkarnation vitalen Glücksverlangens, ja des Vitalen schlechthin, ist er in des Wortes Grundbedeutung von Natur aus a-sozial. Baal ist aber vor allem auch ein provokantes Bild für ein Wesen, das die Bedingungen, die es braucht, um existieren zu können, nicht vorfindet und daher zugrunde geht. Seine Verweigerung gegenüber sich anbietenden vorgezeichneten Bahnen und »Paradiesen« ist keine spektakuläre, auf Verbesserung der Welt gerichtete, wie die gegenwärtiger Revolutionäre, und sie ist keine kleinbürgerliche, die im Rückzug liegt. In einer notgedrungen verwalteten Welt, in der zunehmend Menschen in Mechanismen kretinieren, wo selbst »sozial vernünftiges« Handeln sich auf schleichende Weise gegen unsere Lebenssubstanz zu richten beginnt, wo wir »Inhumanes« in dieser Form bald bewusst zu akzeptieren genötigt sein könnten, um in irgendeiner Form zu überleben, wird das unmittelbare Ausleben vitalen Glücksverlangens mehr und mehr zum Anachronismus.
Friedrich Cerha
Service
Diese Sendung wird in Dolby Digital 5.1 Surround Sound übertragen. Die volle Surround-Qualität erleben Sie, wenn Sie Ö1 unter "OE1DD" über einen digitalen Satelliten-Receiver und eine mehrkanalfähige Audioanlage hören.
Sendereihe
Gestaltung
Übersicht
Playlist
Komponist/Komponistin: Joseph Haydn (1732-1809)
Titel: Ouverture zu "Acide e Galatea" Hob. Ia/5
* Allegro molto (02:00)
* Andante grazioso (03:00)
* Presto assai (1:23)
Orchester: ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Leitung: Cornelius Meister
Länge: 06:23 min
Label: Doblinger / Kaufmaterial
Komponist/Komponistin: Gustav Mahler (1860-1911)
Titel: Adagio (Symphonie Nr. 10)
Orchester: ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Leitung: Cornelius Meister
Länge: 28:10 min
Label: Universal Edition / Leihmaterial
Komponist/Komponistin: Friedrich Cerha (*1926)
Titel: Baal-Gesänge
* Ichthyosaurus Parabel
* Legende der Dirne Evelyn Roe
* Sommerlied
* Loblied auf den Abort
* Couplet
* Arie des Bettlers
* Lied vom ertrunkenen Mädchen
* Der Tod im Wald
* Von Sonne krank. (Reggae)
* Baals Tod
Orchester: ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Solist/Solistin: Jochen Schmeckenbecher, Bariton
Leitung: Cornelius Meister
Länge: 48:39 min
Label: Universal Edition / Leihmaterial
Komponist/Komponistin: Erich Wolfgang Korngold
Gesamttitel: KONZERT GMVS 20050415 F4853/1 u.2 (auch 5.1) / GZ: 1.33.50 MZ: 1.29.35
F4853/2 Symphonie in Fis-Dur op.40
* Moderato, ma energico - 1.Satz
* Scherzo. Allegro molto - 2.Satz
* Adagio - Lento - 3.Satz
* Finale. Allegro - 4.Satz
Orchester: Radio Symphonieorchester Wien
Leitung: Bertrand de Billy
Länge: 52:05 min
Label: Schott / Materialgebühr