Zwischenruf

von Pfarrerin Margit Geley (Salzburg)

Glaubens frei

Heute Nachmittag feiern wir im Evangelischen Zentrum in Salzburg ein großes, doppeltes Jubiläum. Seit 50 Jahren gibt es die Evangelische Superintendenz Salzburg und Tirol. Vor 50 Jahren hat der damalige Erzbischof Andreas Rohracher folgende Sätze gesprochen:

"Nichtsdestoweniger drängt es mich hier (...) mein aufrichtiges Bedauern über die damaligen Ereignisse auszusprechen und nicht nur in meinem Namen, sondern auch im Namen meiner ganzen Erzdiözese meine evangelischen Brüder und Schwestern um Vergebung zu bitten, wie es Papst Paul VI. zu Beginn der Zweiten Session des letzten vatikanischen Konzils getan hat".

Die damaligen Ereignisse, auf die sich der Erzbischof bezog, war die Vertreibung der Evangelischen aus Salzburg in den Jahren 1731/32. Etwa 20.000 evangelische Menschen wurden aus Salzburg vertrieben, sie mussten ihre Kinder zurücklassen, ihren Besitz, ihre Heimat. 130 Jahre lang gab es kein evangelisches Leben mehr in Salzburg, bis dann endlich mit der Christuskirche 1863 die erste Pfarrgemeinde gegründet werden durfte.

Wir evangelische Menschen in Salzburg sind nicht "alt eingesessen". Wir haben alle eine Geschichte der Zuwanderung hinter uns in unseren Familien, denn evangelische Pfarrgemeinde gibt es erst seit 153 Jahren. Da gibt es viele Geschichten vom Verlust der Heimat, vom sich neu Niederlassen; da gibt es Geschichten von religiöser Verfolgung und starker Abgrenzung. Die Vergebungsbitte des Erzbischofs Andreas Rohracher hat Türen geöffnet zu einem besseren Miteinander zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche.

Meinen Glauben frei leben zu dürfen, das ist heute viel leichter. Nicht beschimpft zu werden dafür, evangelisch zu sein, oder dafür ausgegrenzt zu werden. Auch wenn mich immer wieder Menschen fragen, ob es bei uns denn auch Weihnachten gibt oder ob wir auch an denselben Gott glauben wie katholische Christen. Auch wenn in unserem Land die Medien oft von "der Kirche" sprechen und damit die katholische Kirche meinen, und übersehen, dass diese schon längst nicht mehr die einzige Kirche in unserem Land ist.

Trotz all dem ist es heute leichter evangelisch zu sein, auch wenn es nicht selbstverständlich ist. Die Zahl der Evangelischen in Österreich macht gerade einmal 3% der Österreicherinnen und Österreicher aus.

Meinen Glauben frei leben bedeutet mir viel, gleichzeitig heißt es auch, dass das für alle Menschen in diesem Land gilt, nicht nur für mich. Wir Christinnen und Christen haben da noch viel zu lernen, noch immer gibt es zu viele Abgrenzungen innerhalb des Christentums und hin zu den anderen Religionen.

Meinen Glauben frei leben zu dürfen, heißt: anerkennen, dass die andere Art zu glauben wahr und gut sein kann. Es beschämt mich, dass in unserem Land jüdische Synagogen von der Polizei beschützt werden müssen. Es beschämt mich, dass Frauen, die ein Kopftuch tragen in der Öffentlichkeit beschimpft werden. Es beschämt mich, dass das Menschenrecht der Religionsfreiheit so oft hier bei uns mit Füßen getreten wird. Ich selbst bin froh und dankbar, nicht religiös verfolgt zu werden wegen meines Glaubens. Meine Kirche, sogar mehrere evangelische Kirchen darf es sichtbar und hörbar geben in diesem Land - und das feiern wir aus gutem Grund.

Meinen Glauben frei leben zu dürfen ist ein Menschenrecht, das für uns alle gilt, für jede Religion, für jeden Menschen. Für die, die glauben und für die, die nicht glauben. Dieses Menschenrecht ist von uns allen zu respektieren, von der Gesellschaft, und vor allem von allen Religionen.

Sendereihe