Gedanken für den Tag

von Oliver Tanzer, Autor und Leiter des Wirtschaftsressorts der "Furche". "Das Kapital, die Arbeit und die Menschenwürde". Gestaltung: Alexandra Mantler

Vom Lohn

Reden wir doch einmal über das, was uns scheinbar am Leben hält. Über den Lohn, den wir für unsere Arbeit bekommen. Der Lohn der Arbeit muss gerecht sein, fordert Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Centesimus annus. Aber was ist gerecht? Darüber gibt es neben der Meinung des Papstes noch ein paar Millionen weitere. Die Ökonomie macht sich's einfach und meint, dass der Lohn der Grenzertrag der Arbeit ist. Der Lohn entspricht also jenem Wert, der verloren ginge, wenn man nicht produzieren würde. Aber da sind wir schon wieder im Dilemma. Denn: Was ist Wert? Und wer bewertet?

Es gibt da das Gleichnis vom Ziegelarbeiter und vom Kardinal. Der Kardinal besucht die Fabrik und fragt, was der Arbeiter da tue. Und der sagt, ich mache Ziegeln und du? Ich führe die Kirche, sagt der Kardinal, und deshalb darfst du Eminenz zu mir sagen. Aber was machst du Kardinal, fragt da der Ziegelarbeiter, ohne meine Ziegel? Wo ist dann dein Stephansdom?

Der Arbeiter fordert nichts anderes als eine Umwertung. Und eigentlich reden wir auch immer über so eine Umwertung, wenn wir von Reformen reden. Reformen bedeuten soziale Auf- und Abwertungen. Wie etwa bewerten wir die Leistung der Alleinerzieherin mit zwei Halbtagsjobs, der Lehrerin, die sich um die Jugendlichen in den Randbezirken kümmert. Und warum verdient der Manager, der in der Krise Millionen versenkt hat, 240 mal mehr als die Lehrerin. Und warum hat die Lehrerin nicht nur wenig Lohn, sondern auch wenig Anerkennung - also wenig immateriellen Lohn? Man müsste also die Frage nach dem Grenzertrag der Arbeit neu stellen - umfassender. Etwa so: Was würde der Gesellschaft verloren gehen, wenn du nicht arbeitest? Was meinen Sie, um wie viele Tausend wichtige Personen würde es plötzlich mehr geben. Krankenpfleger, Müllmänner, Putzfrauen, Lehrer . Und wie viele angeblich wichtige Personen würden arbeits- und bedeutungslos?

Service

Oliver Tanzer, "Lilith und die Dämonen des Kapitals", Hanser-Verlag

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Titel: GFT 160426 Gedanken für den Tag / Oliver Tanzer
Länge: 03:49 min

Komponist/Komponistin: Bruce Springsteen
Album: DARKNESS ON THE EDGE OF TOWN
Titel: Factory
Solist/Solistin: Bruce Springsteen /Gesang m.Begl.
Länge: 02:00 min
Label: CBS 86061

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