Gedanken für den Tag

4. August 2016, 06:56

Dabei sein ist alles

"Dabei sein ist alles." Über dieses olympische Prinzip wird gerne gespottet. Kehrt eine Mannschaft ohne die ersehnten Medaillen heim, verpassen Kritiker den erfolglosen Teilnehmern mitunter süffisant den Titel Olympiatouristen. Olympiareife wird von vornherein zunehmend nur jenen Athleten zuerkannt, die schon exzellente Leistungen erbracht haben und Aussicht auf einen Platz auf dem Siegerpodest besitzen.

"Dabei sein ist alles" ist die volkstümliche Kurzformel eines Ausspruchs von Pierre de Coubertin, dem Begründer der modernen Olympischen Spiele. Im Original lautet der Text: Sinn olympischer Spiele ist nicht Sieg, sondern Teilnahme, Ziel nicht der Triumph, sondern der Kampf. Mit anderen Worten: Es zählt nicht nur die Goldmedaille, sondern das Bemühen um die bestmögliche Leistung. Schon die Qualifikation für die Olympischen Spiele verdient Anerkennung.

Ich muss beim Satz "Dabei sein ist alles" vor allem an kleine Nationen denken, die sich auch ohne Medaillenhoffnungen als Mitglieder der Völkergemeinschaft präsentieren wollen. Und mir fällt die Ausnahme-Möglichkeit ein, unter der Flagge des internationalen Olympischen Comités bei den Spielen anzutreten. Darum bemühten sich zum Beispiel heuer nach dem Ausschluss ihres Teams einzelne russische Leichtathleten, 1992 bekamen Sportler aus dem gerade zerfallenen Jugoslawien diese Chance. Im Jahr 2000 gab es beim Damen-Marathon von Sydney einen besonders berührenden Moment. Aguida Amaral durfte unter der IOC-Flagge antreten. Denn ihre gerade erst unabhängig gewordene Heimat Ost-Timor besaß noch kein eigenes Olympia-Komitee. Als Aguida Amaral im Stadion eintraf, kniete sie zunächst nieder und verbeugte sich vor dem Publikum. Dann erst lief sie ihre letzte Runde zum 43. Platz unter 45 gewerteten Damen.

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Gestaltung

• Alexandra Mantler