Gedanken für den Tag

von Cornelius Hell, Literaturkritiker und Übersetzer. "Unterbrochene Schulstunde". Gestaltung: Alexandra Mantler

Mit der Schule und den Lehrern hat wahrscheinlich niemand nur gute Erfahrungen. Ich habe noch etliche Jahre nach der Matura Alpträume von Lateinstunden gehabt. Unser Lateinlehrer und Klassenvorstand am Gymnasium Borromäum in Salzburg war ein Tyrann wie Gott Kupfer im Roman "Der Schüler Gerber" von Friedrich Torberg. Er hat uns angebrüllt, bis man Angst hatte, überhaupt einen Satz zu sagen. Und wo er jemanden piesacken konnte, da tat er es. Unvergesslich ist mir, wie wir Generalprobe für das Schultheater zum Elterntag hatten. Gleichzeitig gab es eine umfangreiche Lateinaufgabe für den kommenden Tag. Auf ihren Wunsch hin entschuldigte ich die Theaterspieler - wir hatten den ganzen Nachmittag lang proben müssen. Der Lateinlehrer brüllte mich nieder und prüfte alle, die ich entschuldigt hatte, auf Nicht genügend. Nur mich selbst nicht, denn als mein jahrelanger Intimfeind kannte er mich gut und wusste genau, dass ich die Übersetzung der Textstelle natürlich trotz Theater vorbereitet hatte.

Ja, ich gebe es zu: Ich habe es bedauert, nicht von seinem Begräbnis erfahren zu haben, denn ich hätte gerne daran teilgenommen, um augenfällig zu sehen, dass er wirklich tot ist und ich nicht mehr von ihm träumen oder die Straßenseite wechseln muss, wenn ich ihn zufällig in der Stadt sehe. Bis heute habe ich ihm nicht verziehen, und noch viel weniger verzeihe ich meiner katholischen Schule, dass sie uns vor diesem Monster als Lehrer in keiner Weise geschützt hat.

Aber ich weiß auch, dass ich durch ihn stärker geworden bin. Er hätte alles gegen mich unternommen, was er vermocht hätte, doch ich war in Latein zu gut, so hat er es nicht geschafft. Und ich habe Latein lieben gelernt - diese Sprache war meine Verbündete gegen den miesen Lehrer. Und später war Latein meine wichtigste Grundlage, um Litauisch zu lernen - die Sprache, aus der ich übersetze. Das alles erzähle ich nicht, um zu bagatellisieren, was dieser Lehrer an uns verbrochen hat. Es zeigt nur, dass man auch durch die schlimmen Erfahrungen zu dem wird, der man ist.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Bela Bartok
Gesamttitel: Gyermekeknek Sz 42 für Klavier, Heft 1 - 4
Anderssprachiger Titel: Für Kinder
Titel: Für Kinder, Heft 1 Nr.16 - 17
* Nr.16 Regi magyar dallam; andante rubato
Solist/Solistin: Zoltan Kocsis /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: Hungaroton HCD 123042

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