Scheibenwurmer

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Radiodoktor - Medizin und Gesundheit

Sechs Meter voller Überraschungen

Der gefürchtete Jo-Jo Effekt nach Diäten kann durch spezielle Flavonoide verhindert werden. Diese Pflanzeninhaltsstoffe verändern den Stoffwechsel von Darmbakterien, so aktuelle Forschungsergebnisse des israelischen Weizmann Institute of Science. Und Junk Food macht nicht nur dick, sondern auch depressiv. Das sind die Ergebnisse von Studien aus Spanien und den Niederlanden, durchgeführt an Kindern und Jugendlichen.
Die Ursachen für diese Phänomene, so sind sich viele Wissenschaftler einig, liegen im Darm. Genauer gesagt in dem hauptsächlich im Dickdarm angesiedelten Mikrobiom, auch als Darmflora bezeichnet. Es besteht aus rund 1.000 verschiedenen Bakterienstämmen und hat zahlreiche wesentliche Aufgaben - es unterstützt das Immunsystem, verdaut Nahrungsbestandteile, die der menschliche Verdauungstrakt nicht aufnehmen kann, wie etwa Ballaststoffe, produziert Vitamine und baut Giftstoffe ab. Immer mehr Forscher weltweit gehen davon aus, dass ein aus dem Gleichgewicht gebrachtes Mikrobiom (sei es z.B. durch ungesunde Ernährung, Stress oder Medikamente) das Risiko für verschiedenste Krankheiten - zum Beispiel auch Adipositas, Diabetes, Multiple Sklerose oder Morbus Alzheimer erhöht. Und diese Vielzahl an Bakterien könnte eben auch daran schuld sein, dass Diäten nicht funktionieren. Bei 80 Prozent der Abnehmwilligen kommt es nach der Diät zur raschen Gewichtszunahme - oft über den Ausgangswert hinaus. Nach neuen Erkenntnissen überwiegen bei dieser Personengruppe jene Keime, die uns dick werden lassen. Die Forscher staunten nicht schlecht, als die Gabe von Flavonoiden, zum Beispiel enthalten in Zitrusfrüchten, Zwiebeln oder Beeren, die Ausscheidungsprodukte der Bakterien so veränderte, dass der Grundumsatz des Körpers anstieg.
Auch in Österreich ist das wissenschaftliche Interesse am Mikrobiom groß. Eine Darmforschungshochburg befindet sich hierzulande in Graz. Univ.-Prof. Dr. Christoph Högenauer und seine Kollegin, Dr.in Patrizia Kump waren unter den Ersten weltweit, die eine so genannte Stuhltransplantation bei Menschen mit einer Clostridium-difficile Infektion (potentiell lebensbedrohlicher Krankenhauskeim nach Antibiotikaeinnahme) durchführten. Dabei wird der Stuhl eines gesunden Spenders in verflüssigter Form in den Dickdarm des Erkrankten eingebracht, um so die Darmflora wieder zu sanieren.
Ebenfalls an der Medizinischen Universität Graz forscht unser zweiter Sendungsgast, Univ.-Prof. Dr. Peter Holzer. Ihn interessiert, auf welchen Weise Darm und Gehirn miteinander kommunizieren und wie sich Veränderungen im Darm auf das Gehirn auswirken und umgekehrt. In Mausstudien konnten er und sein Team schon faszinierende Beobachtungen machen. So wurde etwa das Mikrobiom eines depressiven Menschen in den Darm einer Maus eingebracht, mit dem Ergebnis, dass auch die Maus depressive Verhaltensweisen zeigte. Spannende Arbeit wird auch an der MedUni Wien, von Univ.-Prof.in Dr.in Gabriele Moser, geleistet. Sie ist Internistin und Psychotherapeutin und behandelt Menschen mit Reizdarmsyndrom sehr erfolgreich mit der so genannten Bauch-gerichteten Hypnose.

Dieses Mal diskutiert Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos mit ihren Gästen über das Wunder Darm, darüber welchen Einfluss er auf unsere Gesundheit hat und wie wir, abgesehen von Medikamenten, Beschwerden lindern bzw. heilen können.

Eine Sendung von Mag.a Nora Kirchschlager.
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Service

Univ.-Prof.in Dr.in Gabriele Moser
Internistin, Psychotherapeutin, MedUni Wien, Universitätsklinik für Innere Medizin III, Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Universitätsklinik für Innere Medizin III
Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
Währinger Gürtel 18-20
1090 Wien, Austria
Tel.: 0043 1 40400 47410
Anmeldung für die Gastroenterologische Psychosomatik-Ambulanz mit Facharzt-Zuweisung unter 0043 1 40400 47500
E-Mail
Gabriele Moser

Univ.-Prof. Mag.rer.nat Dr.phil Peter Holzer
MedUni Graz, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Forschungseinheit für Translationale Neurogastroenterologie
Universitätsplatz 4
A-8010 Graz
Tel.: 0316/3804500
E-Mail
Peter Holzer

ao.Univ.-Prof. Dr.med.univ. Christoph Högenauer
MedUni Graz, Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie; Forschungseinheit Theodor Escherich Labor für Mikrobiomforschung
8036 Graz, Auenbruggerplatz 15
+43/316/385-14388
E-Mail
Christoph Högenauer

Österreichische Morbus Crohn-Colitis ulcerosa Vereinigung (ÖMCCV)
Österreichische Patienteninitiative Reizdarm (ÖPRD)
Selbsthilfegruppe Darmkrebs (für ganz Österreich)
Österreichische Mikrobiom-Initiative
Liste der TherapeutInnen, die Bauchhypnose anbieten
Lebensmittelallergien und Intoleranzen
Prof. Christoph Högenauer zur Stuhltransplantation
Das Mikrobiom
Infos zur Bauch-gerichteten Hypnose von Prof. Gabriele Moser

Andreas Stallmach, Maria J.G.T. Vehreschild (Hrsg.), "Mikrobiom: Wissensstand und Perspektiven", Verlag: De Gruyter (10. Oktober 2016)

Dr. Anne Katharina Zschocke, "Darmbakterien als Schlüssel zur Gesundheit: Neueste Erkenntnisse aus der Mikrobiom-Forschung", Verlag: Knaur MensSana HC (3. November 2014)

Emeran Mayer, "Das zweite Gehirn: Wie der Darm unsere Stimmung, unsere Entscheidungen und unser Wohlbefinden beeinflusst", Verlag: Riva (15. August 2016)

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