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Tonspuren
"Mich interessiert nicht der Zeitgeist, sondern das Gegenteil." Ein Besuch beim stillen Erfolgsschriftsteller Robert Seethaler in Berlin. Von Eva Schobel
5. Dezember 2016, 21:00
Robert Seethaler wurde 1966 als Sohn einer Wiener Arbeiterfamilie geboren. Bücher gab es wenige im Haus und er hätte sie mit seiner angeborenen Sehbehinderung ohnehin schwer lesen können. Lange ist nicht klar, ob er sein Augenlicht behalten wird. Vielleicht könnte er Masseur werden? Blinde Masseure gelten als besonders sensibel. Als nach vielen Operationen endlich klar ist, dass er zwar niemals gut sehen, aber auch niemals erblinden wird, wagt er den Sprung ins kalte Wasser und wird Schauspieler. Er spielt am Wiener Volkstheater und am Stuttgarter Landestheater, er bekommt Fernsehrollen.
Doch die Scham überwiegt die Lust, sagt er und widmet sich zunehmend dem Schreiben. Den vielen Jahren in der Dunkelheit verdankt er seine extreme Aufnahmefähigkeit. Immer schreibt er atmosphärisch dicht im Horizont seiner Figuren. Sein Roman "Der Trafikant" wird zu einem Überraschungserfolg. Hier evoziert er die Freundschaft zwischen einem Jungen aus der Provinz und dem todkranken und vor der Emigration stehenden Sigmund Freud.
In seinem Roman "Ein ganzes Leben", der auf der Spiegel-Bestsellerliste aufschien, erzählt der Autor die Geschichte eines unter die Fuchtel eines rabiaten Bauern geratenen Stadtkindes, das sich aus dieser Abhängigkeit befreit und trotz aller noch folgenden Schicksalsschläge sein Leben lebt. Ein aus der Zeit gefallener Mensch. Eskapistisch ist das nicht, denn aus der Zeit fallen heißt, in allen Zeiten zu sein.
Sendereihe
Gestaltung
- Eva Schobel