Gerhard Weißgrab zum buddhistischen Vesakh-Fest

11. Mai 2017, 06:56

Ich werde öfter gefragt: "Was hat sich in deinem Leben verändert, seit du den Dharma praktizierst - das heißt: dem Weg und den Lehren des Buddhas folgst?"

So einfach lässt sich das nicht beurteilen und letztendlich kann man auch keinen Vergleich ziehen, wie es anders gelaufen wäre. Ich bin mir aber wirklich nicht sicher, ob mein Leben dadurch einfacher und leichter geworden ist. Fast bin ich versucht, zu sagen: Im Gegenteil - es ist wohl in gewisser Weise schwieriger, komplexer geworden.

Ich bin mir durch meine buddhistische Prägung auf jeden Fall meiner Schwächen, Fehler, Mängel und nicht zuletzt meiner Neurosen wesentlich bewusster geworden. Das klingt vielleicht eher abstoßend als anziehend, sich freiwillig für einen solchen Weg zu entscheiden. Aber andererseits, die Fehler, Mängel und Neurosen sind ja nicht durch diesen Weg entstanden, sie waren schon da. Sie sind aber durch diesen Weg sichtbar geworden. Und dieses sichtbar Machen ist die Voraussetzung, sie bearbeiten und auflösen zu können.

Der historische Buddha wird auch oft als Arzt beschrieben - als Arzt, der eine Diagnose gestellt hat und dann seine Lehre als Therapie angeboten hat. In der buddhistischen Praxis erlebe ich dann auch sehr oft dasselbe wie bei einer typisch medizinischen Diagnose und Therapie: Es folgt auf die Behandlung von Symptomen zu Beginn sehr oft einmal eine Verschlechterung, bevor es dann am Höhepunkt, nach einer Krise, langsam zu einer Verbesserung und letztendlich zur Heilung kommt. Zur Heilung durch die Aufhebung der verursachenden Wurzeln. Aus meiner persönlichen Praxiserfahrung lohnt sich dieser Weg.

Auf einer großen dicken Holzscheibe in meinem Lieblings-Zen-Kloster steht der Spruch: "Mensch - werde wesentlich". Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen!

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Gestaltung

• Alexandra Mantler