Radiokolleg - Von der Himmelskuh zum Turborind

Von der Himmelskuh zum Turborind

Eine kleine Kulturgeschichte unseres wichtigsten Nutztiers (1). Gestaltung: Sabrina Adlbrecht

Kaum ein anderes Tier ist im menschlichen Alltag so allgegenwärtig - und das seit langer Zeit: Als mythologisches Wesen, als Gegenstand von bildender Kunst und Dichtung, als Naturnähe suggerierendes Werbesujet und selbstredend als Hauptlieferantin von Milch, Fleisch und Leder - die Kuh.
Deren Kulturgeschichte ist zugleich unsere eigene: Schließlich verdankt die Menschheit - zumindest aus eurasischer Perspektive - diesem Wiederkäuer den Anfang der Zivilisation vor etwa 10.000 Jahren.

Damals, in der Jungsteinzeit, begannen die ersten Ackerbauern in Mesopotamien, Rinder als Nutz- und Opfertiere zu halten. Ohne deren Arbeitskraft und ohne die Produkte, die sie lieferten, wäre der Mensch nicht das geworden, was er heute ist. Wenig verwunderlich wird die Kuh in vielen Schöpfungsmythen als himmlisches Wesen und Lebensspenderin verehrt.

Die besondere Beziehung zwischen Mensch und Rind hat auch viele Tausend Jahre gehalten, und das Wort "Kuh" soll es in mehr als fünfhundert Sprachen und Dialekten geben. In Redensarten und Schimpfwörtern ist ihr Name heute noch sehr gebräuchlich, aber die ehemals tiefe Verbundenheit mit diesem Tier ist in den modernen Industriegesellschaften längst verlorengegangen. Der Mensch lebt nicht mehr mit, sondern nur noch von der Kuh.

Das moderne "Turbo-Rind" ist auf reine Effizienz reduziert, entsprechend hochgezüchtet und wird mit artfremdem Kraftfutter gemästet. Die profitgesteuerte Massenproduktion von Rindfleisch hat zu Krankheiten wie BSE, dem "Rinderwahnsinn", geführt - und damit auch zur Dämonisierung der Kuh. Mittlerweile ist sie auch als Methangas produzierender "Klimaschädling" immer mehr in Verruf geraten.

Wie jedes Tier, ist auch und gerade die Kuh ein kulturell geschaffenes Wesen: Je nach Zeit und Wahrnehmung hat sich ihr Bild verändert. Mit der Kulturgeschichte der Kuh und der Mensch-Kuh-Beziehung in Rückblicken und Ausblicken beschäftigt sich diese Woche das Radiokolleg.

Service

Literatur:

Tanja Busse: Die Wegwerfkuh. Wie unsere Landwirtschaft Tiere verheizt, Bauern ruiniert, Ressourcen verschwendet und was wir dagegen tun können. Verlag Karl Blessing, München, 2. Aufl. 2015. ISBN 978-3-89667-538-5

Alfred Haiger: Naturgemäße Tierzucht bei Rindern und Schweinen. avBuch, Leopoldsdorf 2005. ISBN 3-7040-2073-7

Anita Idel: Die Kuh ist kein Klima-Killer! Wie die Agrarindustrie die Erde verwüstet und was wir dagegen tun können. Metropolis-Verlag, Marburg, 2. Aufl. 2011. ISBN 978-3-89518-820-6

Werner Lampert: Unberührte Schönheit. Reisen zu den ursprünglichen Kühen der Welt. Servus-Verlag, Salzburg 2015. ISBN: 978-3-7104-0050-6

Martin Ott: Kühe verstehen. Eine neue Partnerschaft beginnt. Faro im Fona Verlag, Lenzburg 2011. ISBN 978-3-03781-033-0

Lutz Schiering: Kühe. Liebenswürdige Wiederkäuer. KOMET Verlag, Köln. ISBN 978-3-86941-240-5

Florian Werner: Die Kuh. Leben, Werk und Wirkung. Nagel & Kimche, Verlag Carl Hanser, München, 2009. ISBN 978-3-312-00432-4

Links:

Erwin Pucher: Sechs Jahrtausende alpine Viehwirtschaft

ANISA, Verein für Alpine Forschung

Tierwohl in der Nutztierhandlung

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