Ulrike Guerot und Renata Schmidtkunz im Gespräch

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Da capo: Im Gespräch

"Die EU braucht eine gemeinsame Steuer- und Sozialpolitik"

In regelmäßigen Abständen wird Renata Schmidtkunz ab nun mit der Sendung "Im Gespräch" zu Gast im Theater in der Josefstadt sein

Der erste Gast, der sich am 22.10.2017 in den völlig ausverkauften Sträuselsälen einfand, war die Politikwissenschafterin und Universitätsprofessorin für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems, Ulrike Guérot. In 60 beschwingten, klugen und sehr kurzweiligen Minuten erklärte sie dem Publikum ihre Utopie von Europa:

"EU: nach einem Markt und einer Währung muss nun eine gemeinsame Demokratie daraus werden!"

Für Ulrike Guérot ist nämlich klar: Die Europäische Union ist nicht das Problem, sondern die Lösung der im Moment so deutlich zu erkennenden Probleme, die sich in Europa breit machen.

Die 1964 in Grevenbroich, einer Stadt in Nordrhein-Westfalen nahe der holländischen Grenze geborene Politikwissenschafterin blickt in ihrer akademischen Arbeit schon lange über die Grenzen des Nationalstaates hinaus. Sie studierte Politikwissenschaft in Münster, wo sie ihre Doktorarbeit zur Geschichte der französischen Arbeiterpartei promovierte.

Von 1992 bis 1995 war Ulrike Guérot Mitarbeiterin des Außenpolitischen Sprechers der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Karl Lamers. 1995 wechselte sie in das Büro des ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Delors, und arbeitete nebenbei bis 1998 bei der Organisation "Notre Europe" in Paris mit.

Von 1998 bis 2000 war sie Juniorprofessorin an der Paul H. Nitze School for Advanced International Studies an der Johns Hopkins University, Washington, D.C., USA. Danach kehrte sie nach Deutschland zurück und leitete die "Programmgruppe Europa" bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Eine Gastprofessur führte sie 2003 an die INSEAD - Business School in Singapur.

Von 2004 bis 2007 arbeitete Frau Guérot beim German Marshall Fund und leitete anschließend bis 2013 das Berliner Büro des European Council on Foreign Relations. Sie hielt Gastprofessuren an zahlreichen internationalen Universitäten und verbrachte ein Gastsemester am Wissenschaftszentrum Berlin. 2014 war sie eine der GründerInnen des in Berlin ansässigen Think Tanks European Democracy Lab an der European School of Governance. Im April 2016 wurde sie schliesslich als Leiterin des "Departments für Europapolitik und Demokratieforschung" an die Donau Universität Krems berufen.

Als 2016 Ulrike Guérots erstes Buch mit dem Titel "Warum Europa eine Republik werden muss! Eine politische Utopie" erschien, lobte die Süddeutsche Zeitung das Buch als "originellen, klugen und radikalen Beitrag". Guérot beschreibt darin ihre Utopie einer europäischen Republik. In dieser sind alle europäischen Bürgerinnen und Bürger gleich vor dem Gesetz. Außerdem wird dieses neue Europa eine Fiskal- und Sozialunion sein. Dann könne man Marie Le Pen auf die Frage, wer sich in Zukunft um die Armen in Europa kümmern würde, zurufen: "Europa!"

Seither bekommt die Mutter zweier Söhne 90 Einladungen zu Vorträgen von Tallinn bis Lissabon und ist in allen großen Talk-Shows der europäischen Fernsehsender zu Gast. Ihre Expertise ist gefragt, weil sie Perspektiven aufzeigt, weil sie sagt, dass die Zeit der Alternativlosigkeit vorbei sein muss - nicht zuletzt, um den wieder erstarkenden Nationalismus in seine Schranken zu weisen.

Im Mai 2017 ist Ihre Streitschrift "Der neue Bürgerkrieg: Das offene Europa und seine Feinde" erschienen. Darin benennt sie die große Krise, auf die Europa zusteuert und schreibt: "Wer diesen Bürgerkrieg beenden will, muss zurück an seine Ursprünge, die fehlende Fiskal- und Sozialunion." Durch den Verlust an Gleichheit verlöre Europa seinen europäischen Geist. Europa könne nur durch die Rückbesinnung auf die Werte der französischen Revolution gerettet werden: "Freiheit - Gleichheit - Geschwisterlichkeit (Solidarität)!"

Die Matinée endete mit einem fröhlichen pro-Europa "Juchu!" von Ulrike Guérot, lang anhaltendem Applaus und strahlenden BesucherInnen, die ebenso fröhlich aus dem Theater strömten, inspiriert von der Möglichkeit, Europa neu zu denken.

Service

Ulrike Guérot., "Der neue Bürgerkrieg. Das offene Europa und seine Feinde", Ullstein Verlag, Berlin 2017

Ulrike Guérot mit Robert Menasse, "Kritik der Europäischen Vernunft: Mit dem 'Manifest für die Begründung einer Europäischen Republik'", dreisprachig (dt, frz., engl,, Bernstein-Verlag 2017

Ulrike Guérot und Elisabeth Donat (Hg.), "Was ist los mit Frankreich? Von politischer Zersetzung zu sozialer Neuordnung", Taschenbuch, Dietz Verlag, 9. Oktober 2017

Ulrike Guérot, "Warum Europa eine Republik werden muss! Eine politische Utopie", Dietz Verlag, Bonn 2016

Donau-Universität Krems - Univ.-Prof. Dr. Ulrike Guérot

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