Leporello
Heinrich Böll 100
Das Irische Tagebuch
11. Dezember 2017, 07:52
Abertausende Reisende folgten ihm - nach Dublin, nach Limerick, entlang des Shannon oder nach Achill Island. Vor genau 60 Jahren wurde Heinrich Bölls Irisches Tagebuch veröffentlicht, ein halbdokumentarischer Reisebericht - auf der Suche nach einem Gegenmodell zur deutschen Nachkriegsgesellschaft. Das "Irische Tagebuch" von 1957 hat viele deutschsprachige Touristen auf die grüne Insel gelockt und gehört bis heute zu Bölls meistverkauften Büchern. Es ist ein literarisches Paket aus Sprache, Landschaft und Märchen.
Als sich Heinrich Böll, dessen 100. Geburtstag am 21.Dezember gefeiert wird, mit seiner Familie 1954 zum ersten Mal nach Irland aufmachte, war er noch kein Literaturnobelpreisträger, sondern ein wenig bekannter Nachwuchsautor. Böll, der Antimilitarist, war begeistert von der Landschaft, von den Iren und von ihrer Geschichte: "Auf dieser Insel also wohnt das einzige Volk Europas, das nie Eroberungszüge unternahm", heißt es zu Beginn des Tagebuchs.
1958 kaufte die Familie Böll auf Achill Island ein Haus mit Blick auf den Atlantik und verbrachte regelmäßig die Ferien in Irland. Heinrich Böll blieb oft mehrere Monate, um in Ruhe zu schreiben. Gemeinsam mit seiner Frau Annemarie übersetzte er das Buch "Die Boote fahren nicht mehr aus" von Tomas O'Crohan. Der irische Fischer, Bauer und Dichter lebte Anfang des 20. Jahrhundert auf den heute verlassenen Blasket Islands. Die Inselgruppe vor der Westküste ist berühmt für seine unberührte, wilde Natur und und deren reine irische Sprache. Die Erzählungen von den Blaskets gehören zu den Klassikern der irischen Literatur. Jedes Kind in Irland kennt sie als Pflichtlektüre aus der Schule.
Die Menschen von den Blasket-Inseln haben ein Vermächtnis hinterlassen. Auch dank der Übersetzungshilfe durch Annemarie und Heinrich Böll leben ihre authentischen Alltagsbeschreibungen weiter und inspirieren Künstler und Reisende bis heute - obwohl Heinrich Böll schon im Vorwort seines Irischen Tagebuchs gewarnt hatte: "Es gibt dieses Irland: wer aber hinfährt und es nicht findet, hat keine Ersatzansprüche an den Autor." Gestaltung: Michael Marek und Anja Steinbuch
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