Zwischenruf
Michael Chalupka über Armenspeisung
"Der Ort der Hoffnung". Pfarrer Michael Chalupka, Direktor der Diakonie, über den Ort, wo Gott wohnt am Beispiel der Armenspeisung im 's Häferl. - Gestaltung: Martin Gross
24. Dezember 2017, 06:55
Es ist soweit. Es gibt Grund zur Hoffnung. Gott lässt sich finden. "Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend", heißt es in der Weihnachtsgeschichte. Hoffnung braucht einen Ort, und Gott kommt an einem bestimmten Ort zur Welt. Dieser Ort ist genau beschrieben. Die Nacht der Geburt findet im Stall vor den Toren der Stadt Bethlehem statt, in einem notdürftigen Unterschlupf derer, die kein Dach über dem Kopf hatten. Gott lässt sich finden - als Kind in Windeln gewickelt, ohne Macht und Ansehen und ohne Gewalt kommt er, als Mensch unter Menschen. Der Ort, an dem Gott in die Welt kommt, ist wichtig. Gott kommt nicht nirgendwo und nicht irgendwo, sondern an einem ganz konkreten Ort zur Welt.
Gott lässt sich auch heute finden, an den Orten der Hoffnung. Ein solcher Ort, der auch heute seine Tore weit offen hat, ist 's Häferl, das Armengasthaus der Stadtdiakonie in Wien. Gelegen an der "Straße der Verlierer?" unter der evangelischen Kirche in Wien Gumpendorf wird auch am 24. Dezember, serviert. "Denn wir servieren, wir speisen nicht aus!" Das vergisst der Armenwirt und Reservekoch, wie er sich selbst bezeichnet, Norbert Karvanek nie zu betonen, wenn er davon spricht, wie viele Gäste heute wieder zu bedienen sind. Zwischen 100 und 200 Menschen werden an einem Tag im "Häferl" mit Vorspeise, Hauptspeise und Nachspeise versorgt, finden einen Ort, um sich zu treffen und ein bisschen zu Hause zu fühlen. "'s Häferl" ist an vier Tagen in der Woche für alle Menschen geöffnet, die sich eine Mahlzeit sonst nicht leisten könnten.
Wer in 's Häferl kommt, kommt, weil er's braucht - kommt, weil es kalt ist und weil der Magen knurrt. Die Suppe und die herzliche Ansprache wärmen, das Kartoffelgulasch stärkt. Keine und keiner gehen aus dem Häferl hinaus, wie sie hereingekommen sind.
Hoffnung braucht einen Ort, und Gott lässt sich an ganz konkreten Orten finden. In Christus hat Gott sich an einem bestimmten Ort offenbart, und an einem solchem bestimmten Ort offenbart er sich auch "heute". Dieser Ort ist "vor dem Tor", wie im Stall zu Bethlehem, d.h. bei den Opfern der Gesellschaft, bei den in welcher Weise auch immer Armen und Verarmten, bei den Mühseligen und Beladenen, der geschundenen Kreatur. Dort finden wir Gott, und dort ist der zu bevorzugende Ort der Christinnen und Christen.
Nun wollen, sollen und können schon gar nicht alle sich aufmachen, um ihre Weihnacht im 's Häferl zu feiern. Es platzt auch so schon aus allen Nähten. Doch auch in den wohligen Stuben mit dem Tannenbaum und den Geschenken darunter ist es richtig und gut, sich zu vergegenwärtigen, wo Gott wohnt!
Wir Menschen verstehen vieles leichter, wenn wir es uns ganz plastisch vor Augen führen. Deswegen gibt es ja den schönen Brauch des Krippenbauens. Josef, Maria, der Ochs und der Esel, die Hirten und Engel, sie erinnern uns an den armseligen Ort der Hoffnung, den tristen Ort, den Gott auserkoren hat, um auf die Welt zu kommen. Das ist der Ort, wo wir unser Herz wärmen und uns gestärkt und voller Hoffnung verändern lassen können.
Wenn wir heute am Abend, in dieser hochheiligen Nacht, unsere alten Lieder singen von der Stillen Nacht und von den jubelnden Engeln. Wenn wir einstimmen in den wunderbaren Choral Johann Sebastian Bachs: "Ich steh an Deiner Krippen hier, oh Jesu, du mein Leben." Dann singen mit uns all die Besucher des Häferls. Sepp, der die Scheidung nicht gepackt hat, und Johanna, die nicht weiß wie sie mit ihren Kindern, ohne Mann, allein von der Mindestsicherung über die Runden kommen soll, und Miriam aus Allepo, die weint, wenn sie an ihre Eltern denkt, die zu alt für die Flucht waren und Karl, der dachte der Alkohol könnte sein Freund sein. Und es singen mit uns die Hirten auf dem Felde und schließlich die Chöre der Engel. Hören wir all ihre Stimmen, dann weiß unser Herz, wo Gott wohnt, wo unsere Heimat ist.
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Sendereihe
Gestaltung
- Martin Gross