Zwischenruf

Christine Hubka mit Asylwerbern beim Interview

Über die Fragen, die Asylwerber beim Asylverfahren beantworten müssen, erzählt Christine Hubka, evangelische Theologin und Gefängnisseelsorgerin. - Gestaltung: Martin Gross

Der Jahreswechsel ist auch heuer wieder auf einem bunten Klangteppich dahergekommen. Inzwischen sind die Böller, die Pummerin, der Donauwalzer längst verklungen. Nicht verklungen ist die Jahreslosung, ein Stück evangelisches Brauchtum zum Jahreswechsel. Es ist ein Bibelwort, das das ganze Jahr über immer wieder als Leitwort bedacht wird. Für das Jahr 2018 ist es wahrlich wegweisend:

Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des Lebendigen Wassers umsonst. Off 21,6.

Umsonst, also gratis und kostenlos sind manche Dinge im Leben und sollen es auch bleiben. Umsonst, nämlich gratis und kostenlos ist es deshalb auch, wenn man sich in einer evangelischen Kirche taufen lässt. Da muss man nichts bezahlen. Und man muss auch sonst keine Leistung erbringen. Eltern, die ihr Kind taufen lassen wollen, müssen nicht beweisen, dass sie gläubige Menschen sind. Niemand fragt sie, ob sie davon überzeugt sind, dass Maria bei der Geburt des Jesuskindes eine Jungfrau war. Sie müssen auch nicht belegen, dass sie täglich die Bibel lesen und beten. Es genügt, wenn sie sagen: "Wir wollen unser Kind taufen lassen."

Die Taufe ist umsonst. Also gratis und kostenlos. Für alle, die sie wünschen. Nicht umsonst ist das Recht, als Asylwerber in Österreich bleiben zu dürfen. Da muss man selber auch etwas dazu tun. Da muss man schon auch Leistungen erbringen. Zum Beispiel Deutsch lernen. Wer sich taufen lässt, soll auch zeigen, dass das ernst gemeint ist. Wer sich taufen lässt, soll also Kontakt zu einer christlichen Kirche haben. In der Gemeinde mitleben. Vielleicht hie und da auch mitarbeiten. Nicht theologisch, sondern bei den praktischen Dingen, Sessel aufstellen, Tische rücken, Gesangbücher austeilen. Beim Interview zum Asylverfahren legt der Asylwerber den Taufschein oder Eintrittsschein vor und eine Bestätigung, dass er aktiv am Leben der Gemeinde teilnimmt. So weit, so richtig.

Immer wieder einmal bin ich als Begleitperson bei einem solchem Interview mit dabei. Über die Prüfungsfragen zu Glaube und Theologie muss ich mich zuweilen schon wundern: Da war neulich die erste Frage an einen evangelisch getauften Asylwerber: Wieso sind sie nicht katholisch geworden? Was bedeutet diese Frage? Was hat sie mit seiner ernsthaften Absicht zu tun, als Christ zu leben? Ich habe keine Antwort.

Manche Fragen sind so speziell, dass man einen sehr hohen theologischen Bildungsstand haben muss, um sie halbwegs passend zu beantworten. Hier ein paar Beispiele: Warum ist ein Taufbecken achteckig? Das ist eine historische Frage. Außerdem ist das Taufbecken in der Kirche, wo der betreffende Asylwerber getauft wurde nicht achteckig, sondern rund.

Oder: Erklären Sie die Heilige Dreifaltigkeit: Jahrzehntelang habe ich am Gymnasium unterrichtet. 35 Konfirmandenjahrgänge habe ich unterwiesen. Nie habe ich die Heilige Dreifaltigkeit thematisiert. Abgesehen davon, dass diese hochkomplizierte theologisch-philosophische Denkfigur bei uns Evangelischen "Trinität" heißt.

Eine Asylwerberin wurde gefragt: Wie interpretiert das Markusevangelium das Christentum? Allein die Frage ist ein wenig merkwürdig. Denn das Markusevangelium interpretiert nicht das Christentum, sondern erzählt auf seine ganz spezielle Weise von Jesus. Vom Christentum ist gar keine Rede. Und dennoch hat die Asylwerberin versucht, darauf eine Antwort zu geben und hat sich dabei als profunde Kennerin des Markusevangeliums erwiesen.

Ganz besonders hat mich aber neulich die Antwort eines jungen Mannes gefreut. Ganze fünf Jahre hat er in seinem Herkunftsland die Schule besuchen können. Auf die Frage: "Was verstehen Sie unter Nächstenliebe?", hat er geantwortet: "Weil Gott uns liebt, darum können wir auch die anderen lieben."Ich hätte keine bessere Antwort geben können.

Ich befürchte, dass niemand von den Gemeindemitgliedern, die jeden Sonntag in unserer Pfarrgemeinde den Gottesdienst mitfeiern, diese Fragen so beantworten könnte, dass sie vor den Augen der Behörde bestehen könnten.

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