AFP/ALBERTO PIZZOLI
Dimensionen
Hunger nach Realität
Über den marxistischen Intellektuellen Antonio Gramsci
Von Nikolaus Halmer
3. Mai 2018, 19:05
Antonio Gramsci zählt zu den schillerndsten Gestalten der politischen Philosophie im 20. Jahrhundert. Er hinterließ kein ausgearbeitetes philosophisches System, sondern Anleitungen für eine marxistisch geprägte Philosophie der Praxis, die eine neue Kultur hervorbringen sollte.
Gramscis Reflexionen, deren größter Teil im Gefängnis entstand, kreisten um die These von Karl Marx, dass die Philosophen die Aufgabe hätten, die Welt nicht nur zu interpretieren, sondern sie zu verändern. Dies sollte durch eine Neubestimmung der Philosophie und Kultur erfolgen. Gramsci wandte sich gegen jegliche Form einer elitären Hochkultur und berief sich auf den Alltagsverstand.
Er enthält zwar jede Menge Klischees, die von der kapitalistischen Gesellschaftsordnung geprägt wurden, gleichzeitig auch den Kern einer kritischen Reflexion, die die herrschende Ideologie in Frage stellt. Der Intellektuelle hat die Aufgabe, dieses Potenzial zu unterstützen und dialektisch gegen die Herrschenden zu wenden. Damit trägt er zur Realisierung des langfristigen Projekts der Emanzipation der Individuen bei, das Ernst Bloch so formulierte: "Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst".
Service
Antonio Gramsci: Gefängnishefte. Gesamtausgabe in 10 Bänden. Herausgegeben von Klaus Bochmann und Wolfgang Fritz Haug unter Mitarbeit von Peter Jehle.
Thomas Barfuss/Peter Jehle: Antonio Gramsci. Zur Einführung, Junius Verlag
Wolfgang Fritz Haug: Philosophieren mit Brecht und Gramsci, Argument Verlag