Südtiroler Siedlung in Gröbming

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Hundert Häuser

"Sondermaßnahme Südtirol"

1943 - Südtiroler Siedlungen

Nahezu in der gesamten "Ostmark", insbesondere aber in Vorarlberg und Tirol, entstanden ab Ende 1939 sogenannte "Südtiroler Siedlungen". In tausenden, eilends errichteten Wohnungen sollten die "Optanten", also jene Menschen, die sich in Folge des Hitler-Mussolini-Abkommens zur Auswanderung aus Südtirol entschlossen hatten, angesiedelt werden.
Von den rund 216.000 "Optanten" verließen bei dieser "völkischen Flurbereinigung", wie es im zynischen Nazi-Jargon hieß, dann aber nur rund 75.000 tatsächlich das Land. Die Hälfte von ihnen wanderte bereits 1940 aus, bevor die Umsiedlung ins Stocken geriet und 1943 kriegsbedingt zum Erliegen kam.

Im fernen Burgenland, in der Steiermark, in Salzburg und Oberösterreich, aber insbesondere in Nordtirol und Vorarlberg wurde im Rahmen der "Sondermaßnahme S" ab Ende 1939 sukzessive mit dem Bau kriegswichtig eingestufter "Südtiroler Siedlungen" für die Umsiedler begonnen.

Nicht selten kamen dabei Zwangsarbeiter zum Einsatz, so etwa in Kematen westlich von Innsbruck, wo Polizeiprotokolle von 100 französischen Kriegsgefangenen beim Bau der Südtiroler Siedlung berichten, wie die Innsbrucker Historikerin Sabine Pitscheider recherchiert hat. Wie die Kunsthistorikerin Michaela Frick vom Landeskonservatorat für Tirol hinweist, stellen die, häufig im ländlichen Umfeld und in der Umgebung von Industrie- und Rüstungsbetrieben, realisierten Südtiroler Siedlungen, "eine Sonderform des sozialen Wohnbaues dar", die städtebaulich wie architektonisch von der "Blut und Boden"-Ideologie geprägt war und "deren Vorbilder in Werksiedlungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu suchen sind".

Architekten: diverse, teils unbekannt
Ende "Sondermaßnahme S" und Baustopp: 1943
Adresse: u.a. 6175 Kematen in Tirol

Gestaltung: Roman Tschiedl

Service

Mit der Sendereihe "Hundert Häuser" wird eine Geschichte Österreichs anhand seiner Architektur erzählt - vom Jahr 1918, in dem am 12. November die Erste Republik ausgerufen wurde, bis zur Gegenwart. Für jedes Jahr steht ein historisch bedeutendes, architektonisch spannendes oder eine Epoche prägendes Bauwerk, das in jeweils einem Radiobeitrag porträtiert wird. Zu hören ist die hundertteilige Reihe von Montag bis Donnerstag um 17:25 Uhr, von Mitte Mai bis 12. November 2018.

Bundesdenkmalamt Abteilung Tirol

Helmut Alexander, Stefan Lechner, Adolf Leidlmair, "Heimatlos: die Umsiedlung der Südtiroler". Deuticke, 1993

Sabine Pitscheider, "Kematen in Tirol in der NS-Zeit. Vom Bauerndorf zur Industriegemeinde". StudienVerlag, 2015

Helmut Weihsmann, "Bauen unterm Hakenkreuz: Architektur des Untergangs". Promedia, 1998

Sendereihe

Gestaltung

  • Roman Tschiedl

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