Zwischenruf

Susanne Heine über Frauenrechte

"Frauensignale, die bleiben". Ausgehend von christlichen Frauen im 1. Jahrhundert erzählt Susanne Heine, Professorin am Institut für Praktische Theologie und Religionspsychologie an der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Wien, über Frauenrechte. - Gestaltung: Martin Gross

Am 12. November vor 100 Jahren wurde die Republik Österreich ausgerufen und zugleich das Wahlrecht für Frauen gesetzlich festgeschrieben. Dies bedeutete aber noch keine rechtliche Gleichstellung.

Es war nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem viele alles verloren, auch wir. Um finanziell über die Runden zu kommen, begann meine Mutter halbtags als Sekretärin zu arbeiten, und mein Vater musste dazu seine schriftliche Erlaubnis erteilen. Zwischen meinen Eltern war das kein Problem, aber ich war schockiert. Ich war doch das unmündige Kind, dem etwas erlaubt oder verboten wurde, aber nicht meine Mutter. Dieses Gesetz wurde erst 1975 aufgehoben. Heute haben Männer und Frauen hierzulande gleiche Rechte, jedenfalls auf dem Papier.

Aber es braucht nicht immer eine Rechtsordnung, damit sich Männer und Frauen gemeinsam auf gleicher Augenhöhe für etwas engagieren, das ihnen am Herzen liegt. Dies war in den frühen christlichen Gemeinden des 1. Jahrhunderts der Fall. Viele aktive Frauen werden mit Namen genannt: Phöbe ist Diakonin in der Gemeinde von Kenchreä am Osthafen von Korinth. Sie reist nach Rom mit einem Empfehlungsschreiben des Paulus. Von Persis, Tryphaina und Tryphosa wird berichtet, dass sie sich für die Gemeinde abgerackert haben (Röm 16,1-2.12).

Das geistliche Leben spielte sich damals in Hausgemeinden ab, die von Männern, aber auch Frauen geleitet wurden: von Nympha in Laodicea (Kol 4,15), von Lydia in Thyatira, das heutige Akhisar in der Westtürkei (Apg 16,14-15), von Maria, der Mutter des Johannes Markus, in Jerusalem (Apg 12,12) oder vom Ehepaar Prisca und Aquila in Rom, dann in Ephesus (Röm 16,3-5; 1Kor 16,9). Euodia und Syntyche stehen im Buche des Lebens, was bedeutet, dass sie Verfolgung erlitten und an ihrem Glauben festgehalten haben (Phil 4,2). Wie Paulus ist auch Junia um des Evangeliums willen im Gefängnis gelandet (Röm 16,7). Dahinter steht die Überzeugung, dass Männer und Frauen das Gemeindeleben gemeinsam gestalten und an einem Strang ziehen können.

Das hat sich nicht lange gehalten. Mit der Einrichtung von Ämtern kamen der Kampf um Ansehen und Macht und die Unterordnung der Frauen unter die Männer: Eine Frau soll sich still verhalten, sich belehren lassen, aber nicht lehren, heißt es z.B. im 1. Timotheusbrief (1Tim 2,11). Zwar betont das Neue Testament mehrfach, dass vor Gott kein Ansehen der Person gilt (Lk 20,21; Röm 2,11; Jak 2,1), aber auch die Christen waren keineswegs davor gefeit, anstatt Christus nachzufolgen, Ansehen und hohe Ämter für sich zu beanspruchen, unter Ausschluss der Frauen. So spiegeln diese Texte beides: die Anpassung an die umgebende Welt mit ihrer ungleichen Rangordnung zwischen den Geschlechtern und die Gegenwelt, in der sich Männer und Frauen als Gleichgestellte für das Leben aus dem Geist des Evangeliums einsetzen. Diese Spannung hat über Jahrhunderte immer wieder für Unruhe gesorgt.

Vom Apostel Paulus wird ein alter Taufspruch überliefert, der lautet: "Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus wie ein Gewand angezogen. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus" (Gal 3,28). Dieser Text spricht gegen Rassismus, gegen soziales Unrecht und gegen die Entmündigung von Frauen, wie ich es bei meiner Mutter erlebt hatte. Der Text ließe sich heute ergänzen: Es gibt nicht mehr Österreicher und Afghanen, nicht mehr Obdachlose und Banker, nicht mehr ungleichen Lohn für gleiche Arbeit von Männern und Frauen.

Vieles davon gibt es freilich immer noch, aber es war ein Signal gesetzt, wie das Frauenwahlrecht ein Signal gesetzt hat. Durch solche Signale wurde es möglich, dass in den Kirchen auch Frauen geistliche Ämter bekleiden, allerdings nicht in allen Kirchen. Es wurde möglich, dass Frauen politische Ämter innehaben, allerdings nicht immer ohne Mobbing. Es wurde möglich, dass Frauen in Wissenschaft und Wirtschaft tätig sind, allerdings nicht immer ohne Herabsetzung als verschrobene "Mannweiber". Aber die Signale, die einmal gesetzt wurden, lassen sich nicht mehr aus der Welt schaffen. Ich vermute, sie werden weiterhin für Unruhe sorgen.

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