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Dimensionen
Kritik des Geniekults
Über den Philosophen und Soziologen Edgar Zilsel.
Von Nikolaus Halmer
12. März 2019, 19:05
1918 veröffentlichte der in Wien geborene Philosoph Edgar Zilsel sein Buch "Die Geniereligion". Darin findet sich eine massive Kritik des Geniebegriffs, der seit der Romantik das Selbstverständnis zahlreicher Künstler prägte. Dem Genie wurde "eine beinahe göttliche Schöpferkraft" zugesprochen, die mit einer vermeintlichen Gedankentiefe einherging, die dem Herdenmenschen versagt blieb.
Das geniale Individuum, das enthusiastische Verehrer um sich schart, verachtet die Massen und äußert sich - wie Stefan George oder Martin Heidegger - in "paradoxen Redewendungen oder nebulöser Begrifflichkeit". Zilsel bezeichnete diesen Geniekult als Pervertierung der Philosophie. Stattdessen wies er auf die Abhängigkeit der künstlerischen Produktion von ökonomisch-gesellschaftlichen Prozessen hin. Diese Orientierung am Marxismus verhinderte eine Universitätskarriere und zwang Zilsel 1938 zur Flucht vor dem Nationalsozialismus in die Vereinigten Staaten, wo er 1944 Selbstmord beging.
Service
LITERATUR:
Edgar Zilsel: Die Geniereligion. Ein kritischer versuch über das moderne Persönlichkeitsideal, mit einer historischen Begründung, Herausgegeben und eingeleitet von Johann Dvorak, suhrkamp taschenbuch wissenschaft, Band 791
Die sozialen Ursprünge der neuzeitlichen Wissenschaft, herausgegeben von Wolfgang Krohn, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Band 152
Friedrich Stadler: Der Wiener Kreis. Ursprung, Entwicklung und Wirkung des Logischen Empirismus im Kontext, Springer Verlag