Ein Schädel aus der Sammlung Goethes

AFP/ADAM BERRY

Salzburger Nachtstudio

Goethe

Zur Aktualität eines Unzeitgemäßen
Gestaltung: Nikolaus Halmer

Goethe gilt weitgehend als Inbegriff eines überholten, bildungsbürgerlichen Dichters, den Nietzsche als "Zwischenfall ohne Folgen" bezeichnete.
Übersehen wurde dabei, dass sein Werk eine Fundgrube birgt, in der zahlreiche brennende Probleme der Gegenwart thematisiert werden. So findet sich in Goethes "Faust" eine Kapitalismuskritik, die die Schattenseiten des rücksichtslosen Wirtschaftswachstums beschreibt. Goethe schildert - lange vor Karl Marx - bereits die magische Qualität des Geldes, die eine zerstörerische Dynamik in Gang setzt.

Goethe spricht von dem "Veloziferischen" - von der Beschleunigungstendenz, die alle Lebensbereiche dem Diktat eines hemmungslosen Fortschrittsfurors unterwirft. Dieser Furor setzt sich in den gentechnischen Experimenten des Anthropotechnikers, des Famulus Wagner fort. Er will das Mängelwesen Mensch durch gentechnische Experimente verbessern - ähnlich wie die Protagonisten des Posthumanismus, die einen "künstlichen" Menschen" schaffen wollen.

Aktuell ist auch Goethes Intention, den Bereich der europäischen Kultur zu erweitern, speziell um China und den Islam. Die Gedichtzyklen "Chinesisch-deutschen Tages- und Jahreszeiten" und der "West-Östlichen Divan" sind die Resultate dieser interkulturellen Vermittlung, die von einer großen Wertschätzung beider Kulturen geprägt ist. Goethe war jedoch keineswegs blind für die Gefahr, die von einem fanatischen Islam ausging. So schrieb er: "Der Koran - groß, streng und furchtbar". Somit erweist sich Goethe in seinen Werken als ein Autor, dessen hellsichtige Prognosen heute mehr denn je aktuell sind.

Service

LITERATUR:

Goethe: Werke in sechs Bänden, Insel Verlag

Theo Buck: Goethe und Frankreich, Böhlau Verlag

Katharina Mommsen: Goethe und die arabische Welt, Insel Verlag

Adolf Muschg: Der weiße Freitag. Erzählung vom Entgegenkommen, C.H. Beck Verlag

Sendereihe