EUROPEAN UNION 2019/MARC DOSSMANN
Radiokolleg - Das Europaparlament
Macht und Ohnmacht der Volksvertretung (2). Gestaltung: Juliane Nagiller
30. April 2019, 09:05
Kein Initiativrecht, zu wenig Einfluss, fehlende Durchsetzungskraft: Das Europäische Parlament wird oft kritisiert. Es sei nur ein Beiwerk, während das Machtzentrum weiterhin beim Rat der Europäischen Union und damit bei den Nationalstaaten liege. Die öffentliche Geringschätzung des EU-Parlaments steht im Widerspruch zur Demokratisierung, die diese Institution in den letzten Jahrzehnten forciert und durchlebt hat.
Ursprünglich nur mit beratender Funktion ausgestattet, konnte das EU Parlament sukzessive seine Kompetenzen ausweiten. Seit 1979 ist es das einzig direkt gewählte Organ der Europäischen Union. Es vertritt die Interessen von rund 500 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürgern. Gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union entscheidet das EU-Parlament über europäische Gesetze. Selbst einbringen darf es diese jedoch nicht. Das Initiativrecht liegt ausschließlich bei der Europäischen Kommission. Will das Parlament also einen Sachverhalt regeln, muss es die Kommission bitten, dazu einen Vorschlag auszuarbeiten.
Das Parlament hat im Gegenzug Kontrollrechte gegenüber der Kommission und kann dieser das Misstrauen aussprechen.
Seine neuen Gestaltungsspielräume, die ihm der Vertrag von Maastricht und der Vertrag von Lissabon eingeräumt haben, hat das Parlament in den letzten Jahren gut genutzt und ist immer wieder auf Konfrontationskurs zur Kommission oder zu den Mitgliedsstaaten gegangen. Das EU Parlament ist das bisher einzige transnationale Parlament mit legislativen Befugnissen und realer politischer Macht. Dennoch unterscheidet es sich von nationalen Parlamenten, denn es stehen sich nicht - wie etwa im österreichischen Nationalrat - Regierung und Opposition gegenüber und einen formalen Fraktionszwang gibt es auch nicht.
Das eröffnet Freiheiten, die die Abgeordneten durchaus zu schätzen wissen. Das EU-Parlament ist heute unabhängiger und einflussreicher als je zuvor. Dennoch weist es immer noch seine Eigenheiten auf. Gewählt wird nach 28 bzw. nach dem Austritt Großbritanniens 27 verschiedenen Wahlgesetzen. Zur Wahl treten nicht etwa europäische, sondern weiterhin nationale Parteien an. Und die Plenarsitzungen des Parlaments finden immer noch in Straßburg statt, was zur Folge hat, dass einmal im Monat der gesamte Parlaments-Tross von Brüssel nach Straßburg ziehen muss.
Welche realpolitische Macht hat das Europäische Parlament? Ist es bereits ein Parlament der Bürger/innen oder braucht es mehr Mitbestimmung? Und bekommt das Parlament eigentlich genug mediale Aufmerksamkeit?
Service
Diesmal wähle ich - Europäisches Parlament
Das tut die EU für mich - What Europe does for me
Besuch im Europäischen Parlament
Bundeszentrale für politische Bildung: Europawahl 2019
Stiftung Wissenschaft und Politik: Die Europawahlen 2019
Eurotopics: Der tägliche Blick in Europas Presse
Ariel Hauptmeier: Von Staubsaugern und Menschenrechten. 32 Gründe, warum Europa eine verdammt gute Idee ist, Correctiv
Katharina Meissner, Magnus Schoeller: Rising despite the polycrisis? The European Parliament's strategies of self-empowerment after Lisbon, Journal of European Public Policy, forthcoming.
Doris Dialer, Eva Lichtenberger, Heinrich Neisser (Hrsg.): Das Europäische Parlament. Institution, Vision und Wirklichkeit, innsbruck university press, 2010
Wolfgang Schmale: Was wird aus der Europäischen Union? Geschichte und Zukunft, Reclam, 2018
Karl Aiginger: Populism and Economic Dynamics in Europe, Policy Brief 1/2019, Querdenkerplattform Wien-Europa