Betrifft: Geschichte
Eine Geschichte, zwei Deutungen
Ein österreichisch-tschechisches Geschichtsprojekt. Mit Niklas Perzi und Hildegard Schmoller, Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Gestaltung: Isabelle Engels
17. Juni 2019, 17:55
Als im Jahr 1989 der eiserne Vorhang zum Nachbarn im Norden Österreichs fiel, war die Euphorie über den Zusammenbruch des Kommunismus und die neue Freiheit "im Osten" zunächst groß. Verknüpft war damit auch die Hoffnung auf ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis zur Tschechoslowakei resp. Tschechien, das nun durch die offenen Grenzen möglich schien. Bald aber stellte sich heraus, dass die Bilder vom Nachbarn durch Ressentiments geprägt waren. Besonders deutlich spürbar wurde dies bei Konflikten rund um den Bau des Atomkraftwerks Temelín oder die Diskussion der "Benes-Dekrete" - Chiffre für das komplexe Thema der Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg.
Beide Staaten verbindet bis ins 20. Jahrhundert eine über weite Strecken gemeinsame Geschichte. Durch die Entstehung der modernen Nationalgesellschaften bildeten sich jedoch unterschiedliche Deutungen heraus. In den Jahrzehnten der Trennung und Zugehörigkeit zu unterschiedlichen "Blöcken" hatten sich gegenseitige Stereotype und nationale Geschichtsnarrative verfestigt. Um dem entgegenzuwirken wurde ein Projekt ins Leben gerufen, das nun in der Publikation eines 400 Seiten starken gemeinsamen österreichisch-tschechischen Geschichtsbuchs gemündet ist. Daran mitgewirkt haben 20 Historiker/innen beider Länder. Ziel war es nicht, die unterschiedlichen Sichtweisen zu vereinheitlichen, sondern zusammenzuführen, indem sie miteinander in den Dialog treten und dadurch besser nachvollziehbar werden.
Der Zeitrahmen der Betrachtung erstreckt sich über das 19. und 20. Jahrhundert. Von der Entstehung der modernen Nationalgesellschaften in der Monarchie und dem Ersten Weltkrieg, an dessen Ende die Gründung zweier vermeintlicher Nationalstaaten stand, die nach nur 20-jährigem Bestehen dem Expansionsdrang Hitler-Deutschlands zum Opfer fielen. Es folgte das unterschiedliche Erleben der deutschen Besatzung und des Nationalsozialismus und das besonders konfliktträchtige Thema der Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Durch die anschließende unterschiedliche Zugehörigkeit zu den zwei Lagern des Kalten Krieges kam es zu einer Periode der Entfremdung.
Die Annäherung nach der Niederschlagung des "Prager Frühlings" 1968, in dessen Folge Österreich viele Flüchtlinge aufgenommen hatte, war nur von kurzer Dauer. In den Folgejahren wurde das Nachbarland für die meisten Österreicher/innen zur "terra incognita" und als großer Umweltverschmutzer wahrgenommen.
Im Geschichtsbuch wird die Zeit bis zum Beitritt Tschechiens zur EU behandelt.
Es werden trennende und verbindende Elemente der Geschichte aufgezeigt, es werden Kräfte, die das Trennende fördern ebenso identifiziert wie Bemühungen der Kooperation, die es parallel dazu immer gab und gibt.
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