Zwischenruf

Stefan Gugerel über das Attentat auf Adolf Hitler

"Gewissen und Widerstand". Militärsuperior Stefan Gugerel, römisch-katholischer Militärseelsorger, über Widerstand im Dritten Reich anlässlich des Attentats auf Adolf Hitler vor 75 Jahren am 20.7.1944. - Gestaltung: Martin Gross

In Deutschland und Österreich wird in diesen Tagen des 20. Juli 1944 gedacht, an dem der ,Operation Walküre' genannte Militärputsch versuchte, den Führer des Deutschen Reiches, Adolf Hitler, zu töten.

Ein zentrales Motiv der Beteiligten war dabei ihre Gewissensnot: Einerseits hatten sie einen persönlichen Eid auf Hitler als Oberbefehlshaber des Heeres abgelegt, andererseits führte seine Politik das Deutsche Reich, zu dem damals auch Österreich gehört hat, in den sicheren Untergang. Nach langen Diskussionen, auch mit adeligen Gruppierungen wie dem Kreisauer Kreis oder Theologen wie Dietrich Bonhoeffer, wurde der Entschluss gefasst, dass nur die Tötung Hitlers dieses Gewissensproblem lösen und die Niederlage im Zweiten Weltkrieg verhindern könnte.

Ich arbeite als Militärseelsorger in der Kaserne Enns an der heutigen Heeresunteroffiziersakademie. Im Park dieser Akademie befinden sich zwei Denkmäler, die beide mit österreichischen Soldaten in der Wehrmacht verbunden sind:

Ein Denkmal steht für den Katholiken Franz Jägerstätter; das andere für den Evangelischen Robert Bernardis. Jägerstätter wurde am 9. August 1943 hingerichtet, Bernardis am 8. August 1944.

Der Lebensweg beider war unterschiedlich, letztlich entschieden sie aber, dass auch das Risiko des eigenen Lebens notwendig war, um im Einklang mit dem eigenen Gewissen leben zu können. Was beide mit Enns verbindet ist, dass sie hier einen Teil ihrer militärischen Ausbildung absolviert haben.

Jägerstätter war als Kraftfahrer in der Wehrmacht tätig. Als er allerdings am Sowjetunionfeldzug der Deutschen Wehrmacht teilnehmen sollte, verweigerte er diesen Dienst mit der Begründung, an keinem unberechtigten Angriffskrieg teilnehmen zu können.

Bernardis absolvierte an der damals in Enns gelegenen Offiziersakademie die Ausbildung zum Pionieroffizier, 1936 begann er in der Armee des Bundesstaates Österreich die Generalstabsausbildung. Nach dem erklärten ,Anschluss' Österreichs an Deutschland wurde er Mitglied der Deutschen Wehrmacht, wo er schnell Karriere machte.

1941 war der im 51. Armeekorps tätige Bernardis Teil des Angriffs auf die Sowjetunion. Die Massenerschießungen von Zivilisten in den eroberten Gebieten belasteten ihn schwer, dennoch verblieb er bis zu einer Erkrankung Anfang 1942 in diesem Bereich. Nach der Rekonvaleszenz wurde Bernardis erneut befördert, zum Oberstleutnant im Generalstabsdienst, und in das Allgemeine Heeresamt nach Berlin versetzt, wo er Gruppenleiter "Personal" wurde. Seit dieser Zeit hatte er beinahe täglich Kontakt zu Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Mit ihm und dessen Verbündeten bereitete er ab Februar 1944 die Ermordung Adolf Hitlers und die Übernahme des Staates durch die Wehrmacht vor. Auch am 20. Juli 1944, vor genau 75 Jahren also, war er aktiv und mutig beteiligt. Einen Tag nach seinem Geburtstag wurde er am 8. August 1944 in Berlin hingerichtet.

Robert Bernardis stellt nicht nur evangelischen Christen die Frage, wie lange wir einer staatlichen Führung folgen. Ab wann müssen wir aufgrund unseres Gewissens in den passiven oder aktiven Widerstand gehen? Bonhoeffers Unterscheidung von Letztem - das ist Gott - und Vorletztem - das sind die Institutionen und Überlegungen dieser Welt - kann hier helfen: Für die Christen, und zwar Zivilistinnen und Soldaten im selben Maß, bleibt jede Entscheidung in dieser Welt auch geprägt von dem Glauben, dass sie diese Entscheidungen immer vor Gott treffen, der alle Menschen zum Dasein erschaffen hat und liebt.

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  • Martin Gross