Theodor W. Adorno

AP/PETER HILLEBRECHT

Gedanken für den Tag

Wolfgang Müller-Funk über Theodor W. Adorno

"Ästhet der Unruhe" - Zum 50. Todestag von Theodor W. Adorno wirft der Wiener Kulturwissenschafter Wolfgang Müller-Funk Licht auf einige Brennpunkte von Adornos Denken. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Mit seiner radikalen Kritik an der Nachkriegsgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland wurde Theodor Adorno in den Anfängen der Studentenbewegung, die 1967 mit der Ermordung des Studenten Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien einen ersten Höhepunkt erreicht, zu einer Schlüsselfigur des Jahres 1968.

Dies in einem doppelten Sinn. Zum einen hat der übrigens durchaus politisch engagierte Adorno dem Unbehagen an der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft ein anspruchsvolles geistiges Fundament gegeben. Zum anderen wurde der zögerliche Ästhet infolge einer selbstläufigen Radikalisierung selbst zum Gegenstand von Attacken, in denen sein Schüler Hans-Jürgen Krahl, einer der Anführer der Außerparlamentarischen Opposition eine maßgebliche Rolle spielte. Seine Vorlesungen wurden systematisch gestört.

Provokanter Höhepunkt einer dieser Attacken, war, dass drei Studentinnen vor dem Kritiker sexueller Repression während einer Vorlesung ihre Brüste entblößten. Dazu der empörte Adorno später im Spiegel: Mich zu verhöhnen und drei als Hippies zurechtgemachte Mädchen auf mich loszuhetzen! Ich fand das widerlich. Der Heiterkeitseffekt, den man damit erzielt, war ja doch im Grunde die Reaktion des Spießbürgers, der Hihi! kichert, wenn er ein Mädchen mit nackten Brüsten sieht.

Eine Schreckszene des Philosophen, der Kritik, auch die Reflexion über sich selbst, als Praxis verstand und jedwedem revolutionärem Aktionismus zutiefst misstraute - nicht ganz zu Unrecht, wie die nachfolgende Transformation der Revolteure in Anhänger von Stalin, Mao und Propagandisten des "Volkskriegs im eigenen Land". Bezeichnenderweise ließen die politisch radikalen 1968er gerne ihren Unmut am liebsten an Liberalen und moderaten Linken ab. Mögen Adorno und übrigens auch Habermas mit ihrem Faschismus-Verdacht über das Ziel geschossen haben, ihr kritischer Blick für autoritäre Tendenzen erwies sich als untrüglich. Adorno konnte seine Vorlesungen nicht weiter halten, er starb einige Monate später bei einem Erholungsaufenthalt in der Schweiz. Viele seiner Kritiker von 1968 haben länger gebraucht, jene Demokratie zu bejahen, die eine Mündigkeit voraussetzt, an die die Kritische Theorie stets appelliert hat.

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Erik Satie/1866 - 1925
Album: Erik Satie - Frühe Klavierstücke
Titel: Gymnopedies - 3 Stücke für Klavier
* Nr.2 (00:05:00)
Solist/Solistin: Reinbert de Leeuw /Klavier
Länge: 05:00 min
Label: Philips 4204722

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